Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
über ihnen blieb sie stehen. Die Stimme meiner nüchternen und großmütigen Königin zitterte vor Zorn und erfüllte die ganze Halle. »Wie könnt Ihr es wagen, so zu sprechen! Wie könnt Ihr es wagen, die Drachen der Uralten als Legenden abzutun! Ich habe den Himmel mit nicht nur einem, sondern einer Horde von Drachen geschmückt gesehen, die empor stiegen, um den Sechs Provinzen zu Hilfe zu eilen. Ich selbst bin auf einem Drachen geritten, dem wahrsten Drachen von allen, als er mich zurück nach Bocksburg getragen hat. Es gibt nicht einen Erwachsenen in diesem Raum, der nicht die mächtigen Schwingen über unseren Wassern gesehen hätte, welche die Roten Schiffe zerschmettert haben, die so lange eine Plage für unser Land gewesen sind. Wollt Ihr etwa unterstellen, unsere Drachen seien falsch gewesen? In Herz oder Tat? Der Junge mag seine Jugend und seine Unerfahrenheit als Entschuldigung anführen, zumal er vermutlich noch nicht einmal geboren war, als wir unseren Krieg gefochten haben, und vermutlich hat ihn niemand in diesen Dingen ausgebildet. Ihr aber könnt Euch nur auf Eure Unwissenheit über uns berufen. Der letzte wahre Drache … Ha!«
Ich bezweifele, dass irgendeine Beleidigung, egal wie schlimm auch immer, die Königin zu solch einem Wutausbruch hätte verleiten können. Niemand in der Halle konnte wissen, dass es ihr König war, Veritas, ihre Liebe, dessen Ehre sie aufrecht hielt. Selbst einige unserer eigenen Edelleute schauten überrascht drein, dass unsere ansonsten so gleichmütige Königin die fremden Gesandten so scharf tadelte, doch ihre Überraschung hieß nicht, dass sie ihr nicht zustimmten. Man nickte zu ihren Worten. Mehrere Herzöge und Herzoginnen standen auf, und die Repräsentantin von Bearns legte sogar die Hand ans Schwert. Der geschuppte Junge schaute sich um, den Mund vor Verzweiflung weit aufgerissen, während Serilla ob seines Fehlers mit den Augen rollte. Die BingtownGesandtschaft rückte instinktiv näher zusammen.
Der geschuppte Junge trat einen Schritt näher an die Königin. Chade machte eine Bewegung, um ihn davon abzuhalten, doch da hatte sich der Junge bereits auf ein Knie niedergelassen. Er schaute zur Königin hinauf, als er sagte: »Ich bitte Euch um Verzeihung, sollte ich Euch beleidigt haben. Ich spreche nur von dem, was ich weiß. Wie Ihr gesagt habt: Ich bin noch jung. Aber es war Tintaglia, die uns voll Trauer verkündet hat, dass sie der letzte wahre Drache dieser Welt sei. Ich würde mich von Herzen freuen, ihr die Nachricht überbringen zu können, dass dem nicht so ist. Bitte. Lasst mich Eure Drachen sehen. Lasst mich mit ihnen sprechen. Ich werde ihnen ihre Not erklären.«
Kettrickens Schultern hoben und senkten sich immer noch vor Leidenschaft. Schließlich beruhigte sich ihr Atmen wieder, und sie war erneut ganz sie selbst. »Ich hege keinen Groll gegen dich, weil du von etwas gesprochen hast, worüber du nichts weißt. Was ein Gespräch mit unseren Drachen betrifft, so kommt das nicht in Frage. Es sind die Drachen der Sechs Provinzen und für die Sechs Provinzen allein. Junger Herr, du nimmst dir zu viel raus; aber aufgrund deiner Jugend will ich dir verzeihen.«
Der Junge blieb, wo er war, auf den Knien, und zweifelnd blickte er zu unserer Königin hinauf.
Es war an Chade, wieder Ruhe in den Raum zu bringen. Er trat vor die Abgesandten von Bingtown. »Vielleicht ist es nur natürlich, dass Ihr an den Worten unserer Königin zweifelt, so wie wir die Euren bezweifeln. Der letzte wahre Drache, sagt Ihr, doch dann sprecht Ihr von ihrer Nachkommenschaft. Das stellt mich vor ein Rätsel: Warum bezeichnet ihr sie als ›wahre Drachen‹? Falls Euer Drache existiert, warum ist sie dann nicht mit Euch gekommen, um sich uns zu zeigen und Eurem Wunsch nach einem Bündnis Nachdruck zu verleihen?« Er ließ den Blick seiner grünen Augen über die Gesandten schweifen. »Meine Freunde, Euer Angebot hat etwas Seltsames an sich. Da ist viel, was Ihr nicht sagt. Ohne Zweifel glaubt Ihr, gute Gründe dafür zu haben. Aber Eure Geheimnisse zu bewahren, könnte Euch nicht nur diese Allianz, sondern auch unseren Respekt kosten. Wägt Euer Handeln gut ab.«
Auch wenn ich ihn nur von hinten sah, ich wusste, dass Chade jetzt nachdenklich an seinem Kinn zupfte. Er blickte zur Königin, und was auch immer er auf ihrem Gesicht sah, er traf eine Entscheidung. »Lord und Ladys, ich schlage vor, wir beenden diese Audienz zunächst einmal. Lasst unsere gnädigste Königin das
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