Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
gewesen, als ich in der Bocksburg gelebt hatte. Ich war froh, sie noch immer an ihrer Seite zu sehen. Bei Lady Weißherz erinnerte ich mich nur an den Namen. Die anderen waren jünger; ohne Zweifel waren sie noch Kinder gewesen, als ich der Königin zum letzten Mal aufgewartet hatte. Doch eine von ihnen kam mir vertrauter vor als die anderen. Ich fragte mich, ob ich vielleicht ihre Mutter gekannt hatte? Und dann, als sie ihr rundes Gesicht drehte und auf einen Scherz hin nickte, erkannte ich sie: Rosmarin.
Aus dem pummeligen kleinen Mädchen war eine dralle Frau geworden. Sie war die kleine Zofe der Königin gewesen, als ich sie zuletzt gesehen hatte; immer war sie Kettricken auf den Fuß gefolgt, immer war sie da gewesen, ein ungewöhnlich ruhiges, gutmütiges Kind. Sie hatte die Angewohnheit gehabt, zu Kettrickens Füßen zu dösen, wenn die Königin und ich miteinander gesprochen hatten – oder zumindest hatte es immer so ausgesehen. Sie war Edels Spionin bei der Königin gewesen, und sie hatte ihm nicht nur Informationen weitergegeben, sondern ihm später auch bei einem Mordanschlag auf Kettricken geholfen. Ich hatte sie bei keinem Verrat beobachtet, aber sowohl Chade als auch ich waren irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass sie Edels kleines Vögelchen sein musste. Chade wusste es; Kettricken wusste es. Wie war es möglich, dass sie noch lebte? Wie war es möglich, dass sie hier saß und lachte und so nahe bei der Königin dinierte, dass sie nun sogar das Glas zum Toast auf sie hob? Ich riss meinen Blick von ihr los und versuchte den Zorn zu dämpfen, der in mir aufwallte.
Eine Zeit lang blickte ich auf meine Füße, atmete tief und kontrolliert und zwang die Röte aus meinem Gesicht, die meine Gedanken verursacht hatten.
Ist alles falsch?
Der winzige Gedanke hallte durch meinen Geist wie das Klirren einer fallengelassenen Münze. Ich hob den Blick und sah, dass Prinz Pflichtgetreu sorgenvoll in meine Richtung blickte. Ich zuckte mit den Schultern und zupfte an meinem Kragen, als würde mich die Jacke stören. Ich antwortete ihm nicht mittels der Gabe. Ihm war es gelungen, mich durch meine gewohnheitsmäßig errichtete Mauer hindurch zu erreichen. Es beunruhigte mich, er hatte schon wieder seinen Gabensinn dazu benutzt, einen Gedanken in mein Bewusstsein zu zwingen. So sollte er die Gabe nicht benutzten. Vor allem wollte ich nicht, dass er die Magie der Weitseher und die Alte Macht gemeinsam benutzte. Das konnte zu einer Gewohnheit werden, die er nur schwer wieder loswerden würde. Ich wartete kurz, stellte mich dann seinem besorgten Blick und lächelte kurz. Anschließend wandte ich mich wieder von ihm ab. Ich fühlte seinen Widerwillen, meinem Beispiel zu folgen. Es hätte mir jedoch gar nicht gefallen, wenn alle sich plötzlich gefragt hätten, warum Prinz Pflichtgetreu bedeutungsschwangere Blicke mit einem Diener austauschte.
Das Mahl war fantastisch und lang. Pflichtgetreu und Elliania aßen zu meiner Überraschung nur sehr wenig, dafür trank und schlemmte Arkon Blutklinge so viel, dass es für beide gereicht hätte. Ich beobachtete ihn, er schien ein herzhafter Mann mit scharfem Verstand zu sein, aber nicht mit dem diplomatischen und taktischen Geschick, die das Arrangement einer solchen Ehe erforderte. Sein persönliches Interesse an Kettricken war offensichtlich, und für Outislander war das vielleicht sogar ein Kompliment. Kettricken antwortete ihm immer höflich, aber sie versuchte offensichtlich, mehr Worte an die Narcheska zu richten. Die Antworten des Mädchens waren zwar knapp, aber freundlich – sie wirkte nicht abweisend, sondern eher reserviert.
Zu fortgeschrittener Stunde fiel mir auf, dass Onkel Peottre sich allmählich für Kettricken erwärmte, wohlmöglich entgegen aller Vorsätze. Ohne Zweifel hatte Chade der Königin geraten, dass es weise sei, dem ›Mutter Bruder‹ der Narcheska mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Auf jeden Fall reagierte Peottre auf ihre Versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er begann, eigene Kommentare abzugeben, wann immer die Narcheska auf etwas antwortete, doch schon bald unterhielten er und Kettricken sich über den Kopf des Kindes hinweg. Bewunderung leuchtete in Kettrickens Augen, und sie folgte Peottres Worten mit ehrlichem Interesse. Elliania schien fast dankbar dafür zu sein, in ihrem Essen rumstochern zu können und zu den Worten nur stumm nicken zu müssen.
Pflichtgetreu, wohlerzogen wie er war, verwickelte Arkon Blutklinge in ein Gespräch.
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