Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
ich sie ins Freie locken.«
»Nun. Vielleicht. Aber ich schäme mich, dass du dich diesen Dingen scheinbar allein stellen musst. Um die Wahrheit zu sagen, hasse ich die Bigotterie, die nach wie vor in den Sechs Provinzen herrscht, und unsere Edelleute verschließen die Augen davor. Ich habe für jene mit der Alten Macht getan, was ich konnte, aber Fortschritte kann ich kaum verzeichnen. Als die Aushänge der Gescheckten zum ersten Mal auftauchten, haben sie mich geärgert. Chade bedrängte mich, nicht in der Hitze des Zorns zu handeln. Jetzt frage ich mich, ob es nicht klüger gewesen wäre, sie meinen Zorn spüren zu lassen. Mein zweiter Wunsch war, jene mit der Alten Macht schlicht wissen zu lassen, dass sie auf meine Gerechtigkeit vertrauen können. Ich wollte ihre Anführer zu mir einladen, gemeinsam hätten wir einen Schild errichten können, um sie vor den Gescheckten zu schützen.« Sie schüttelte den Kopf.
»Wieder griff Chade ein und erklärte mir, die mit der Alten Macht besäßen keine anerkannten Anführer, und sie würden den Weitsehern auch nicht weit genug vertrauen, um zu solch einem Treffen zu erscheinen. Wir hatten keinen Mittelsmann, dem sie vertrauten, und all unsere Versprechungen vermochten sie nicht dazu verlocken, etwas zu zustimmen, das in ihrer Auffassung genauso gut den Tod für sie hätte bedeuten können. Chade überredete mich, die Idee fallen zu lassen.« Nur widerwillig fügte sie hinzu: »Chade ist ein guter Ratgeber, weise in Fragen der Politik und der Macht. Doch manchmal habe ich das Gefühl, er versucht nur, die Sechs Provinzen so stabil wie möglich zu halten, auch wenn damit nicht allen aus meinem Volk Gerechtigkeit widerfährt.« Sie legte ihre Stirn in Falten. »Er sagt, je größer die Stabilität des Landes sei, desto größer die Chance, dass Recht und Gesetz gedeihen. Vielleicht hat er Recht. Aber oft, sehr oft, habe ich mich nach der Art gesehnt, wie wir beide über diese Dinge gesprochen haben. Auch in dieser Hinsicht habe ich dich vermisst, FitzChivalric. Mir missfällt es, dass ich dich nicht an meiner Seite haben kann, wenn ich will, sondern dass ich im Geheimen nach dir schicken muss. Ich wünschte, ich könnte dich zu Peottres und meinem Spiel heute einladen, denn ich hätte gerne deine Meinung über ihn gehört. Er ist ein faszinierender Mann.«
»Dein Spiel mit Peottre heute?«
»Ich habe mich gestern Abend länger mit ihm unterhalten. Während wir darüber sprachen, ob Pflichtgetreu und Elliania die Chance haben, glücklich zu werden, kamen wir auf das Thema ›Zufall‹ zu sprechen. Das brachte uns zum Glücksspiel. Erinnerst du dich an ein Spiel aus den Bergen, das man mit Karten und Runensteinen spielt?«
Ich kramte in meinem Gedächtnis. »Ich glaube, du hast mir mal davon erzählt. Ja, ich erinnere mich daran, mal eine Schriftrolle darüber gelesen zu haben, als ich mich von Edels erstem Mordanschlag erholte.«
»Da sind Karten oder Spielsteine, entweder auf schweres Papier gemalt oder in dünne Holzscheiben geschnitzt. Sie zeigen Embleme aus unseren alten Geschichten wie zum Beispiel den Alten Webermann und den Jäger im Versteck. Auf den Runensteinen finden sich natürlich Runen – Runen für Stein, Wasser und Weide.«
»Ja, davon habe ich schon einmal gehört.«
»Nun, Peottre interessierte sich sehr dafür und möchte, dass ich es ihm beibringe. Er erzählte mir von einem Spiel auf den Äußeren Inseln mit Runenwürfeln, die man in einen Becher steckt, schüttelt und dann wirft. Anschließend legen die Spieler ihre Spielsteine auf ein Tuch oder Brett, das mit Bildern niederer Götter bemalt ist, wie Wind, Rauch und Baum. Das klingt, als wäre das ein ähnliches Spiel, nicht wahr?«
»Vielleicht«, räumte ich ein. Ihr Gesicht leuchtete bei der Aussicht, Peottre das neue Spiel beizubringen; dabei ging ihre Vorfreude weit über das Maß hinaus, das ich von ihr erwartet hätte. Fand meine Königin diesen raubeinigen Outislander etwa anziehend? »Du musst mir später mehr von diesem Spiel berichten. Mich würde interessieren, ob ihre Runen auf diesen Würfeln denen auf euren Runensteinen ähnlich sind.«
»Das wäre wirklich faszinierend, wenn es so wäre, nicht wahr? Wenn die Runen einander ähneln würden, meine ich. Und besonders, wenn einige der Runen mit jenen auf den Gabenpfeilern verwandt sein sollten.«
»Aaah.« Meine Königin war nach wie vor in der Lage, mich zu überraschen. Sie hatte schon immer in mehrere Richtungen gleichzeitig
Weitere Kostenlose Bücher