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Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wochenende mit nach Hause genommen hatte, um sie zu studieren, auf unerklärliche Weise abhandenkamen (Lygia, die brasilianische Putzhilfe im Hause Taubitz, hatte die Dossiers in einem kurzen, aber folgenschweren Moment der Unachtsamkeit nichts ahnend unter den in der Küche liegenden Altpapierstapel gemischt und anschließend ordnungsgemäß in dem giftgrünen städtischen Altpapiercontainer an der nächsten Straßenecke versenkt), hatte Rainer endgültig das Gefühl, von der Rolle zu sein. Ständig brach ihm der Schweiß aus, sein Oberbauch spannte auf Höhe des Solarplexus, als laboriere er an einer chronischen Gastritis, und in seinen Schläfen hämmerte sein Puls.
    Wenn er all die mehr oder weniger folgenschweren Vorfälle addierte, musste er nüchtern feststellen, dass er sich in einem gehörigen Abwärtsstrudel befand. Er war auf dem Weg nach unten, und nichts deutete im Moment darauf hin, dass er in der Lage sein würde, diese äußerst gefährliche Entwicklung in absehbarer Zeit in den Griff zu kriegen.
    Rainer spürte, wie sein Atem in schweren Stößen durch die Nasenlöcher entwich, spürte die ungeheure Last seiner Lider, die sich öffneten und immer wieder zufielen, spürte die Wärme, welche die Sonne trotz der halb zugezogenen Vorhänge ins Zimmer trug. Vor ihm lag ein neuer Tag. Alles Mögliche konnte passieren. Doch er hoffte, nichts von dem, was ein solcher Tag gemeinhin an Katastrophen bereithielt, würde geschehen. Denn das ganze Leben erschien ihm mit einem Mal voller krankhafter Möglichkeiten: Gewalt, Unheil, die ungeheure erbarmungslose Natur. All das empfand er plötzlich als furchtbar nah, und es machte ihm Angst. Er schlug die Augen wieder auf. Ein Luftzug bewegte die Vorhänge.
    »Willst du Kaffee?«, erklang eine Stimme.
    Rainer sah sich um, wuchtete sich aus dem Bett und lief ans Fenster. Im selben Moment erschien ihr Gesicht, Ritas Gesicht, in der Tür.
    »Na«, zirpte sie gutgelaunt und gewährte ihm durch ein gezieltes Nach-vorne-Beugen einen Blick auf das, was sich unter dem flauschigen Frotteestoff ihres lose auf Höhe des Bauchnabels geknoteten Bademantels achtlos verbarg, »ich bin schon seit über einer Stunde auf.« Doch Rainer hatte fürs Erste genug von Ritas Kurven und wandte sich lieber dem Fenster zu. Er spähte zwischen den Gardinen hindurch auf die Autobahn, die im Notfall hinausführte aus diesem Zimmer, aus dieser Stadt, aus diesem Leben.
    »Kaffee wäre gut!«, antwortete er brummig, ohne sich zu ihr umzudrehen. Von draußen drangen kaum Geräusche herein, nicht mehr als ein schwaches Summen.
    »Glaubst du, dass das hier der Anfang von etwas ist?«, unterbrach Rita seine Gedanken, wobei sie die Stimme am Ende des Satzes anhob.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Rainer kurz angebunden, war zugleich aber froh, dass Rita ihn nicht länger seinen düsteren Gedanken überließ. »Vielleicht, ja, mag sein.«
    »Was meinst du mit vielleicht?«, sagte sie.
    »Keine Ahnung«, sagte Rainer, den solche Gespräche langweilten, fügte aber sogleich hinzu: »Lass uns doch erst mal abwarten und nichts überstürzen, okay?« Und dabei dachte er: Ich werde ihr, sobald ich im Büro bin, einen Strauß Baccara-Rosen in die Raststätte schicken. Das macht Eindruck und wird sie mir weiter gewogen halten.
    »Wie du meinst!«, sagte sie (es klang eingeschnappt), und Rainer spürte, dass es ihn in diesen Sekunden, da plötzlich alles ungewiss und ihm sein altes Leben, in dem Ulrike ungeduldigauf ihn wartete, unsagbar weit entfernt erschien, nach Ruhe und Ablenkung verlangte.
    Von Ritas Hinterkopf stand ein Wirbel Haare ab, und in seinen Augen schien dieser Wirbel plötzlich für alles zu stehen, was sein Leben beschwerte. Die Dinge waren durcheinandergeraten, und er hatte nicht wenig Lust zu schreien. Stattdessen sah er Rita an und sagte hörbar feindselig: »Dein Haar, mit deinem Haar stimmt da was nicht!« Dabei machte er (pedantisch, wie er nun mal war) mit seiner rechten Hand eine vage Andeutung in Richtung ihres Hinterkopfs.
    »Was ist mit meinem Haar?«, sagte sie und sah ihn irritiert an, stellte die Kaffeetasse ab und griff geziert nach ihren Locken. Doch ohne auf ihre Gegenfrage einzugehen, wechselte er unvermittelt das Thema und sagte: »War ich gut?«
    »Was meinst du mit gut?«, fragte sie, immer noch mit ihren Haaren beschäftigt.
    »Heute Nacht, meine ich, ob ich gut war beim Sex, Herrgott?«, fuhr er sie an. (Er benötigte eine Erfolgsmeldung, und war sie auch noch so

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