Die Akte Golgatha
Blumentopf einen Zeitzünder und in jedem Telefonapparat eine Wanze. Gott sei Dank erwies sich bisher alles als Irrtum. Ich hoffe, ich konnte Ihnen behilflich sein, Gregor!«
Mit sanftem, aber nachhaltigem Druck schob er Gropius aus dem Hotelzimmer.
»Was ich noch fragen wollte«, sagte Gropius, während sie im Lift nach unten fuhren, »Ihr Computer speichert doch alle Telefonnummern, die von den Nebenstellen angewählt werden?«
Kuschs Antwort fiel zögerlich aus, weil er ahnte, dass Gropius die in einer gewissen Zeit von Zimmer 231 angewählten Nummern haben wollte. »Hören Sie, Gregor«, sagte er auf dem Rückweg in sein Büro, »Sie bringen mich da in eine wirklich brisante Situation. Wenn jemand davon erfährt …«
»Ich weiß«, erwiderte Gropius, nachdem Kusch die Bürotür hinter sich geschlossen hatte, »Sie könnten doch den Computer entsprechend programmieren und für eine Minute den Raum verlassen. Auf alles, was dann geschieht, haben Sie keinen Einfluss.«
»Nicht schlecht«, erwiderte Kusch anerkennend und bediente seinen Laptop mit ein paar schnellen Handgriffen. »Ihr raffinierter Vorschlag kann leider nicht zur Anwendung kommen«, meinte er schließlich, »Telefongespräche werden nur zwei Monate gespeichert, dann löscht sie der Computer automatisch. Hier sehen Sie, Gregor!«
Gropius warf einen Blick auf den Bildschirm, wo Zimmernummer 231 und der Name Sheba Yadin aufleuchtete. Darunter blinkte die Schriftzeile: Daten gelöscht.
»Eine letzte Frage hätte ich noch«, bemerkte Gropius enttäuscht, »wirklich die allerletzte. Sie erwähnten, Rodriguez' Hotelrechnung sei heute Nacht nicht von ihm selbst beglichen worden. Von wem dann?«
Nach einem Blick auf den Bildschirm antwortete Kusch: »Eine Firmenkreditkarte auf den Namen IND S.A.«
»IND?«, sagte Gropius. »Nie gehört.«
K APITEL 12
I m Flugzeug nach Tel Aviv hatte Gropius das Bild Sheba Yadins vor Augen. Er hatte Sheba nie gesehen, es gab nicht einmal ein Foto von ihr, aber bei einem Kongress in Tel Aviv vor ein paar Jahren, den er mit Veronique besucht hatte, waren ihm die dunkeläugigen Israelinnen fest im Gedächtnis geblieben. Sheba, dessen war er sich sicher, spielte eine Schlüsselfigur in diesem Komplott. Sie wusste, wie Schlesinger zu den zehn Millionen gekommen war, und wahrscheinlich wusste sie viel mehr. Er musste sie finden.
Die Reise in den Frühling, der im östlichen Mittelmeer längst Einzug gehalten hatte, kam ihm nicht ungelegen. Vielleicht konnte er für ein paar Tage den Frust vergessen, der sich in ihm aufgestaut hatte, auch die Angst, die seit Monaten sein ständiger Begleiter war. Seit dem unglücklichen Zusammentreffen mit Francesca zog Felicia es vor, ihn mit eisigem Schweigen zu bestrafen, und Francesca war nach dem Vorfall in ihrem Hotel überstürzt abgereist.
Nach vierstündigem Flug unter einem tintenblauen Himmel landete die Maschine der EL AL auf dem Flughafen Ben Gurion. Ein schweigsamer Taxifahrer brachte ihn in zwanzigminütiger Fahrt in die Hayarkon-Straße, wo man die meisten Hotels der Stadt findet. Im ›Dan Tel Aviv‹ hatte Gropius ein Zimmer reserviert mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und den Strand, an dem sich bereits die ersten Badegäste tummelten. Während sein Blick vom Balkon hinaus aufs Meer schweifte, wo das Hell und Dunkel von Himmel und Meer miteinander verschmolzen, sog er die warme Frühlingsluft tief in seine Lungen.
Am nächsten Morgen machte er sich auf die Suche nach Sheba Yadin. Die Beit-Lechem-Straße lag in keiner sehr vornehmen Gegend. Auffallend waren die vielen Klingelknöpfe und Namensschilder an den einzelnen Wohnhäusern, von denen Gropius die meisten nicht einmal lesen konnte. Ein bärtiger, junger Chassid in schwarzer Kleidung und mit einer Kipa auf dem Kopf sprach Englisch und gab sich erst zugeknöpft abweisend, erklärte sich dann aber bereit, Gregor zu der angegebenen Adresse zu begleiten.
Im dritten Stock eines großen Mietshauses gelegen, läutete der Chassid an der mittleren von drei Wohnungstüren und verabschiedete sich mit einem höflichen »Shalom«.
Eine Frau mittleren Alters mit langen, dunklen Haaren, die im Nacken zu einem Knoten gebunden waren, öffnete. Misstrauisch musterte sie den Besucher vom Scheitel bis zur Sohle. Erst als Gropius seinen Namen nannte und in holprigem Englisch erklärte, er sei auf der Suche nach Sheba Yadin, erhellten sich die Gesichtszüge der Frau ein wenig, und sie fragte: »Sind Sie Deutscher? Sie
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