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Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Die Alchimistin 03 - Die Gebannte

Titel: Die Alchimistin 03 - Die Gebannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schande, dass solche Kunstwerke dort oben auf dem Dachboden verschimmeln, statt öffentlich ausgestellt zu werden.«
    Aura erkannte allmählich, wo sie ihn packen konnte. »Sie sollten es wissen. Schließlich sind Sie selbst ein Künstler.«
    »Meine Leidenschaft sind die Feinheiten der Mechanik.«
    »Sie sagten, Sie bauen keine Uhren mehr. Was dann?«
    Nun musterte er sie eingehender. »Ich bin auf der Suche nach etwas, dass Sie bereits gefunden haben, Frau Institoris.« Er neigte den Kopf ein wenig und blickte sie über den Rand seiner Brillengläser an. »Nicht nur Menschen träumen von der Unsterblichkeit, sondern auch Automaten. Uhrwerke im Besonderen. Seit den ersten Räderuhren des zwölften Jahrhunderts ist versucht worden, Mechanismen zu entwickeln, die niemals stehen bleiben. Das ist nicht sehr weit entfernt von dem, was ihr Alchimisten treibt.«
    »War es mein Name?«, fragte sie. »Oder wussten Sie schon vorher Bescheid?«
    Er kratzte sich ausgiebig den rechten Backenbart. »Ich weiß, was Sophia ist. Und ich unterhalte Verbindungen zu gewissen hermetischen Zirkeln dieser Stadt. Ich selbst bin kein Alchimist, Gott bewahre – davon verstehe ich nicht das Geringste. Aber mich interessieren manche ihrer philosophischen Theorien. Sophia ist in dieser Hinsicht nicht besonders mitteilsam, also musste ich mir meine Kenntnisse anderswo aneignen. Der Name Institoris ist mir dabei zu Ohren gekommen. Und dass Sie keines von Sophias üblichen Spielzeugen sind, war offensichtlich. Es kommt nur selten vor, dass sie uns jemanden präsentiert, mit dem sie, nun, freundschaftlichen Umgang pflegt.«

    Severin deutete auf einen der Korridore, die aus der Eingangshalle tiefer ins Palais Octavian führten. »Adams Werkstatt kennen Sie bereits. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen meine.«
    »So vertrauensvoll?«
    Er verzog den Mund. »Ach, wissen Sie, es fühlt sich an, als gehörten Sie schon zur Familie.«
     
    »Die Empyreum-Passage war das Lebenswerk meiner Mutter Valeria Octavian«, sagte Severin, als sie durch die letzte Tür traten.
    Seine Werkstatt lag in einem ehemaligen Ladenlokal im Erdgeschoss. Jenseits einer breiten Fensterfront konnte Aura undeutlich die Passage erahnen, aber das Glas war so schmutzig, dass kaum Einzelheiten zu erkennen waren. Es kam ihr vor, als blickte sie durch ein Bullauge in einen unterseeischen Wassergraben. Braungelbes Licht sickerte durch die Schlieren auf den Scheiben.
    »Mutter war überzeugt, dass die Passage eine der größten Attraktionen der Stadt werden würde«, erklärte Severin ohne jede Wehmut. »Dutzende Geschäfte in einer gehobenen Atmosphäre, nur das Beste und Teuerste, sowohl was die Waren als auch die Ausstattung angeht. Der Bau hat etwa die Hälfte des Familienvermögens verschlungen und wir haben uns bis heute nicht so recht davon erholt. Bestimmte Geschäftszweige mussten veräußert werden, Ländereien in Böhmen und anderswo ... Am Ende sind wir mit einem blauen Auge davongekommen, auch wenn kein Mensch weiß, was mit diesem Ungetüm jemals passieren soll.«
    Sie hatten den großen Raum von der Rückseite her betreten, durch einen kurzen Gang, der vom Palais direkt in die Werkstatt führte. Die Ladentür – genau gegenüber im Zentrum der Glasfront – sah aus, als wäre sie nur angelehnt.
    Aura wäre gern näher an die Fenster getreten, um einen
Blick hinaus in die Passage zu werfen, aber das musste warten. Severins Werkstatt erforderte ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie verstand nun, was er gemeint hatte, als er nach dem Abendessen sagte, er arbeite heutzutage an Mechanismen, die weit kunstvoller seien als Uhren.
    An drei der vier Wände befanden sich Schränke mit zahllosen Schubladen. Viele standen offen. Darin lagen winzige Bauteile, Zahnräder in den unterschiedlichsten Größen, Metallfedern und Spulen, Bolzen und Schrauben, Riemen und Kabel und Drähte. Auf einer wuchtigen Werkbank wurden augenscheinlich größere Elemente gefertigt. Im Gegensatz dazu waren zwei Tische mit Lupen und Lampen an Schwenkarmen für filigranere Arbeiten ausgerüstet.
    Am erstaunlichsten aber waren die Puppen. Lebensgroße Körper, die meisten mit kahlen Schädeln und ungeformten Gesichtszügen. Fast alle waren unfertig, ihnen fehlten einzelne Körperteile, hier ein Bein, dort beide Arme. Eine aufgeklappte Brust enthüllte eine imposante Motorik. Eine andere Puppe besaß keinen Kopf; aus dem Halsstumpf baumelte ein Gewirr von Riemen und Drähten. In den Ecken der Werkstatt saßen

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