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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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funktionieren? Ein Fuhrunternehmen? Denn das zumindest hatten sie ja im Leben: einen Lkw.
    Holger 2 setzte eine Annonce in die Provinzzeitung: »Kleines Fuhrunternehmen sucht Aufträge« und bekam sofort Antwort von einem Kissengroßhändler in Gnesta, der Hilfe brauchte, weil sein bisheriger Auslieferer nicht nur jeden fünften Transport vergessen hatte, sondern auch jede zweite Überweisung ans Finanzamt und dafür jetzt in die Justizvollzugsanstalt Arnö gewandert war. Der Staat glaubte, dass der Auslieferer achtzehn Monate brauchen würde, bis er sich wieder an die Gesellschaft angepasst hatte. Der Kissengroßhändler, der den wahren Charakter seines Auslieferers kannte, dachte sich, dass sich das wohl durchaus länger hinziehen könnte. Auf jeden Fall saß der Auslieferer jetzt eben dort, wo er saß, und der Unternehmer brauchte sofort Ersatz.
    Das Unternehmen Gnesta Daunen & Inletts AG stellte seit unzähligen Jahren Kopfkissen für Hotels, diverse Landgerichte und Behörden her. Erst ging es gut, dann schlechter, am Ende gar nicht mehr. Da feuerte der Unternehmer seine vier Mitarbeiter und fing stattdessen an, Kissen aus China zu importieren. Das machte ihm das Leben zwar einerseits leichter, aber es war auch anstrengend, und langsam, aber sicher begann er sich alt zu fühlen. Der überarbeitete Mann hatte alles satt und machte nur weiter, weil er schon lange vergessen hatte, dass das Leben noch etwas anderes zu bieten haben konnte.
    Holger 1 und 2 trafen ihn in seinem Büro mit angeschlossenem Lager am Stadtrand von Gnesta. Die Gegend sah heruntergekommen aus, ein Lager und ein abbruchreifes Haus mit einem gemeinsamen Hof und eine seit vielen Jahren ungenutzte Töpferwerkstatt auf der anderen Straßenseite. Der nächste Nachbar war ein Schrottplatz, ansonsten war das Gelände völlig verlassen.
    Da Holger 2 reden konnte und Holger 1 auf Geheiß seines Bruders den Mund hielt, fasste der Unternehmer Vertrauen zu der potenziellen neuen Auslieferungslösung. Die Wohnungen in dem Abbruchhaus waren nicht gerade die schönsten der Welt, aber wenn die Brüder eine von ihnen beziehen wollten, oder auch zwei, ginge das in Ordnung. Der Unternehmer selbst wohnte im Zentrum der kleinen Ortschaft.
    Es sah so aus, als würde sich alles zum Besten ordnen, aber da teilte die Schwedische Rentenanstalt dem Unternehmer brieflich mit, dass er demnächst ja fünfundsechzig Jahre alt war und daher das Recht hatte, in Pension zu gehen. Daran hatte er gar nicht gedacht. Was für ein Glück! Jetzt war es also an der Zeit, das Rentenalter zu genießen. Nichtstun als Vollzeitbeschäftigung, genau danach sehnte sich der Unternehmer. Vielleicht sogar ein bisschen Remmidemmi? Seit dem Spätsommer ’67 hatte er nicht mehr versucht, einen draufzumachen. Damals war er nach Stockholm gefahren, um in den Nalen zu gehen, nur um herauszufinden, dass der berühmte Tanzpalast zugemacht hatte und jetzt eine Freikirche war.
    Der Pensionsbescheid war für den Unternehmer ein Grund zur Freude. Für Holger und Holger war er eher problematisch.
    Tja, da die Brüder nichts zu verlieren hatten, beschloss Nummer zwei, in die Offensive zu gehen. Er schlug vor, dass Holger & Holger doch die gesamte Firma des Kissengroßhändlers übernehmen könnten, inklusive Lager, Abbruchhaus und Töpferei. Zum Ausgleich sollte er von den Brüdern fünfunddreißigtausend Kronen pro Monat auf die Hand bekommen, solange er lebte.
    »Als Extrapension«, meinte Holger 2. »Wir haben nur nicht so richtig Bargeld, mit dem wir den Herrn Unternehmer rauskaufen könnten.«
    Der frisch gebackene Rentner überdachte die Sache. Dann überdachte er sie noch ein bisschen. Und sagte zum Schluss:
    »Abgemacht! Aber sagen wir doch dreißigtausend, nicht fünfunddreißig. Und unter einer Bedingung!«
    »Was für eine Bedingung?«, sagte Holger 2.
    »Na ja, also das ist so …«, begann der Unternehmer.
    Der Preisnachlass war an die Bedingung geknüpft, dass Holger und Holger ihm versprachen, die Verantwortung für den amerikanischen Ingenieur zu übernehmen, den der Unternehmer vor vierzehn Jahren in einem Versteck in der Töpferwerkstatt entdeckt hatte. Der Amerikaner hatte im Vietnamkrieg Tunnels für das Militär gebaut, war ständig von den Vietkong angegriffen worden, schwer verletzt und in einem Krankenhaus in Japan behandelt worden, hatte sich erholt, sich durch den Boden des Krankenzimmers nach draußen gegraben, war nach Hokkaido geflohen, mit einem Fischtrawler bis an die

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