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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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die Männer getragen hatten, die sie von der Brücke hatten werfen wollen.
    Maja drückte so lange auf die Klingel, bis sie hörte, dass der Fernseher leiser gestellt wurde. Kurz darauf erschien Brynjelsen in der Türöffnung. Sie erkannte die Pyjamahose
wieder, doch der verschlissene Blazer, den er auf der nackten Haut trug, war ihr unbekannt.
    Â»Ja?« Brynjelsen musterte sie nervös, erkannte sie aber offenbar nicht wieder.
    Â»Entschuldigen Sie die Störung. Ich bin die Hausärztin Ihres Nachbarn, Øivind Munkejord.«
    Â»Der ist doch tot.«
    Â»Ja, leider.«
    Â»Das haben Sie in den Nachrichten gesagt.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Seitdem war hier im Treppenhaus ein ständiges Rauf und Runter.« Brynjelsen schüttelte den Kopf.
    Â»Von wem?«
    Â»Wahrscheinlich seine Familie. Die wollten bestimmt nachgucken, ob es was zu erben gibt. Und die Polizei war natürlich auch da.«
    Â»Die Polizei? Haben Sie mit ihnen gesprochen?«
    Â»Ja«, antwortete Brynjelsen und öffnete die Tür ein Stück weiter.
    Â»Was wollten sie wissen?«
    Er gähnte. »Alles Mögliche über Øivind, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe und so was.«
    Â»Das ist schon mehrere Monate her, oder?«
    Brynjelsen nickte.
    Â»Können Sie sich erinnern, ob Sie ihn mal mit jemandem zusammen gesehen haben?«
    Â»Nein, das glaube ich nicht. Wir haben Kaffee zusammen getrunken. Øivind hat Kaffee gemacht. Mit warmer Milch.«
    Â»Aber Sie können sich nicht erinnern, ihn mal zusammen mit anderen gesehen zu haben?«
    Â»Mit warmer Milch«, wiederholte Brynjelsen, der in Gedanken zu sein schien.
    Â»Andere waren nicht dabei?«, insistierte Maja.

    Mehr war aus ihm offenbar nicht herauszubekommen. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihm ja etwas mitgebracht hatte. »Hier, die sind für Sie.«
    Die Augen des alten Manns leuchteten auf, als er die Papiertüte mit den Schuhbändern nahm.
    Â»Sind das … preußische?«
    Â»Die von Adolf Eisingen.«
    Brynelsen nickte ohne den Blick von der Tüte abzuwenden.
    Â»Von Schnürbändern verstehen sie was, die Deutschen.«
    Â»Ja«, sagte Maja. »Die Schnürbänder in ihren Stiefeln sind nie zu kurz, nicht wahr?«
    Sie tauschten einen vertraulichen Blick aus. »Waren sie noch mal da?«
    Â»Die Gestapo?«
    Sie nickte. »Die mit den Militärstiefeln.«
    Brynjelsen schüttelte den Kopf. »Nein, nicht mehr.«
    Â»Aber bevor Øivind verreist ist?«
    Â»Ja, davor.«
    Â»Können Sie die Männer näher beschreiben?«
    Brynjelsens Blick wanderte unruhig hin und her.
    Seine Finger krampften sich um die Tüte mit den Schnürbändern, als hätte er Angst, sie zu verlieren.
    Sie wusste, dass es keinen Zweck mehr hatte, dass sie dieser Besuch nicht weiterbrachte.
    Â»Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Sie drehte sich um und ging die Stufen wieder hinunter. Was für Antworten hatte Blindheim ihm entlocken können? Sie bezweifelte, dass er wesentlich erfolgreicher gewesen war als sie. Als sie den unteren Treppenabsatz erreichte, hörte sie, wie Brynjelsens Tür erneut geöffnet wurde.
    Â»Entschuldigung!«, rief er ihr nach. »Könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun?«
    Â»Und welchen?«, fragte sie.

    Â»Ich habe ja immer noch den Ersatzschlüssel zu Øivinds Wohnung.« Brynjelsen drehte einen kleinen Schlüssel zwischen seinen alten Fingern. »Den brauche ich jetzt nicht mehr. Vielleicht wären Sie so freundlich, ihn seiner Familie zurückzugeben? Ich kenne da niemanden persönlich.«
    Maja wollte ihm schon vorschlagen, den Schlüssel durch den Briefschlitz in Munkejords Wohnung zu werfen, konnte sich aber im letzten Moment beherrschen. Stattdessen ging sie die Stufen wieder nach oben.
    Â»Natürlich, das werde ich tun.«
    Â 
    Erst um Viertel nach elf begab sich Brynjelsen zur Ruhe. Nach der langen Wartezeit im Auto hatte Maja Rückenschmerzen, und so musste sie sich erst einmal gründlich strecken, ehe sie erneut das Treppenhaus betrat.
    Das laute Klicken des Türschlosses hallte wie ein Pistolenschuss durch das Treppenhaus. Maja schlüpfte rasch in die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. Sie blieb im Eingangsbereich stehen und lauschte angestrengt, doch im ganzen Haus war es still. Sie spürte den Haufen von Reklamezetteln wie einen dicken Teppich unter ihren

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