Die Anfänge meiner Welt
Soho durchfragen und
einen Mann mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem taxierenden, wissenden
Lächeln suchen würde, der mich zu einer Engelmacherin bringen würde. Dann
konnte meine Karriere in der Welt des Lasters beginnen.
In ein Heim wurde man erst im
sechsten Monat aufgenommen, und meine Eltern wußten nicht, wohin sie mich bis
dahin schicken sollten. Meine Mutter wollte nicht, daß man in Südwales von der
Sache erfuhr, und die Tante meines Vaters in Queensferry kam wegen ihres hohen
Alters nicht in Frage, obwohl mich dort niemand kannte und sie in den
Kriegsjahren Fabrikarbeiterinnen beaufsichtigt hatte, die auch keine
Unschuldsengel gewesen waren. Da man noch nichts sah, wurde beschlossen, daß
ich vorerst ganz normal zur Schule gehen und niemandem etwas sagen sollte.
Immerhin gab es ja noch die Möglichkeit einer Fehlgeburt. Dr. Clayton meinte,
ich solle weiter am Sportunterricht teilnehmen, nur tat ich das längst nicht
mehr. Da er glaubte, ich sei verzweifelt, verschrieb er mir Schlaftabletten; er
wußte nicht, daß ich ohnehin nicht viel schlief. Er gab sie nicht mir, sondern
meiner Mutter, für den Fall, daß ich mit dem Gedanken spielte, mich
umzubringen. Aber Selbstmord wäre ein Eingeständnis von Schuldbewußtsein und
Verzweiflung gewesen, und ich fühlte mich kein bißchen schuldig, ich war nur
wütend. Sie waren empört, ich aber auch, und ich würde niemandem einen Vorwand
dafür liefern, mich in eine Heilanstalt zu stecken.
Allerdings fragte ich mich
tatsächlich, ob ich nicht auf dem besten Wege war, verrückt zu werden. Es war
alles so unwirklich, daß es mich weit weniger erstaunt hätte, schwanger zu
sein, wenn wir ein Kondom benutzt hätten, denn dann hätte ich ja gewußt, was
wir taten (nur hätte ich es dann nicht getan). Aber Pariser, Gummis — das
einzige verfügbare Verhütungsmittel, und auch das konnten sich nur Jungen
besorgen — waren damals wie alle anderen Methoden der Trennung von Sex und
Fortpflanzung verpönt. Sex mit Pariser sei wie Baden mit Socken, lästerten die
Jungen, auf jeden Fall beleidigend für das Mädchen, denn man benutze Kondome
nur aus hygienischen Gründen. Auch gegenseitige Masturbation, Sex während der
Periode, Oral- und Analsex galten als schmutzig, krank, pervers oder kriminell.
So wirkte alles zusammen, um den eigentlichen Akt zum Fetisch zu machen und ihn
zugleich zu verbieten.
Diese Vorstellungen waren tief
in mein Bewußtsein eingedrungen, das war der Haken an der Sache. Ich verachtete
die Jungfräulichkeit als etwas, das »nette« Mädchen auf dem Heiratsmarkt gegen
eine Doppelhaushälfte in einem Vorort und ein Auto eintauschten, aber ich war
überzeugt, daß richtiger Sex eine Art ekstatische Initiation war, die den
ganzen Menschen erfaßte. Es war, als wäre Amber bis zu diesem Moment nur halb
lebendig gewesen, und Lawrence zufolge war der Phallos (wie wir ehrfürchtig
mitschrieben) eine Blutsäule, die das Tal des Blutes einer Frau ausfüllte.
Deswegen war ich mir so sicher gewesen, daß nichts passiert war. Selbst im
gröbsten System moralischer Buchführung mußte man ja wohl für das Vergnügen
zahlen, und da ich das Vergnügen nicht gehabt hatte, wollte ich auch nicht zahlen.
Es war eine schreiende Ungerechtigkeit, eine Travestie der unbefleckten
Empfängnis... Erst bei der gynäkologischen Untersuchung wurde ich endgültig
entjungfert. Es tat weh und blutete, denn ich war partiell immer noch Jungfrau
— entgegen den gängigen Mythen herrschte nicht einmal in diesem Punkt Klarheit.
Doch das alles war keine
Entschuldigung. Ein Mädchen, das in Schwierigkeiten geriet, war entweder
bedauernswert oder abgrundtief böse, und was von beidem vorzuziehen war, lag
auf der Hand. Ich hatte mehrmals Dennis Wheatleys Die Braut des Satans gelesen (ein Bestseller der fünfziger Jahre, eines von Onkel Bills
völkerkundlichen Werken), das davon handelt, wie die abendländische Kultur
durch die niederen Formen der Erotik bedroht wird. Die Heldin, bei Tage ein
anständiges Mädchen, putzt sich heraus, wenn es dunkel wird, trinkt, spielt,
küßt schamlos Männer und läßt durchblicken, daß sie durchaus auf sich selbst
aufpassen kann — einmal feuert sie sogar eine Pistole ab. Das ist jedoch nicht
ihr wahrer Charakter; als Baby hat ihr Vater sie im Tausch gegen materiellen
Erfolg dem Teufel verschrieben. Er ist ein Selfmademan und ein Agent der
Bolschewiken. Die Satanisten, die ihn angeworben haben, arbeiten für die
Sowjets und wollen künstliche
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