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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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ich solle mich trotzdem konfirmieren lassen, denn es sähe doch komisch
aus, wenn ich es nicht täte, und ich würde meinen Eltern damit Kummer bereiten.
Ich war empört über so viel Oberflächlichkeit und Weltlichkeit, zugleich aber
hocherfreut. Ich befolgte seinen Rat und beschwatzte meine Mutter, mir ein Paar
weiße Schuhe mit hohen Absätzen für die Konfirmation zu kaufen. Dazu
mußte man anständige Strümpfe tragen. Das hieß, daß ich auch einen Hüftgürtel
brauchte, und das wiederum hieß, daß die Konfirmation in Wahrheit ein
Übergangsritus war. Die Zeremonie selbst ließ mich kalt; es war das erste und
das letzte Mal in meinem Leben, daß ich zur Kommunion ging. Gail, immer scharf
auf Gefühlserlebnisse, behauptete, sie habe eindeutig einen Schauder gespürt,
als ihr der Bischof die Hände auf den Kopf legte, aber auch sie ließ es bei dem
einen Mal bewenden.
    Die Magie der Kirche
beeindruckte uns nicht mehr. Unser eigener Leib war ein größeres Mysterium als
Wein und Hostie, und die absonderliche Vorstellung, die der Mütterverein
verbreitete, daß sich nämlich durch den Zauber des Traugottesdienstes jede
einzelne Zelle des Paares verändere, damit es Kinder bekommen könne, hatte in
Hanmer, wo so viele Bräute mit dickem Bauch vor den Altar traten, noch
niemanden so recht überzeugt. Aufgabe der Kirche war eher eine Art Exorzismus,
der den Inkubus zum Ehemann und Ernährer machte.
    Einmal, als Gail und ich in dem
Sommer, in dem ich dreizehn war, im See schwimmen gingen, saß einer von diesen
Missetätern, dazu verurteilt, am übernächsten Tag verheiratet zu werden, am
Ufer und starrte ins Wasser. Wir wußten, daß sein Heimweg in der Nähe von The
Arowry vorbeiführte, und ich lungerte an diesem Abend eine verwegene Stunde
lang herum und tat so, als würde ich Brombeeren pflücken, in der Hoffnung, er
werde ein verzweifeltes Wort an mich richten oder gar einen letzten Kuß in
Freiheit für mich übrig haben — aber er kam nicht. Statt dessen umschwirrten
mich die Spätsommermücken und labten sich an meinem Blut, und die Stiche
entzündeten sich und eiterten, denn ich war neuerdings gegen alles mögliche
allergisch. Mein Körper reagierte extrem auf jeden Reiz, ob von innen oder von
außen, meine Periode kam alle drei Wochen als unaufhaltsame, nach Eisen
riechende Flut, begleitet von Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Bauchkrämpfen.
Ich schwoll jedesmal an und verlor die Pfunde dann innerhalb weniger Tage
wieder, in denen ich nicht zur Schule ging, sondern mit Aspirin und matten
Tagträumen zu Hause herumhing. Dieses metabolische Elend hatte jedoch auch eine
angenehme Seite. Ich saß zusammengekauert in einem Sessel und las, wickelte die
blutigen Binden in Packpapier und warf sie ganz hinten ins Kaminfeuer.
    Schlechtes Blut, in Wallung
geratenes Blut. Auch meine Nase blutete. Kaum hatte ich meine Angst vor dem
Wasser überwunden und schwimmen gelernt, entzündeten sich vom Chlor im
Schwimmbad meine Nebenhöhlen, und ich mußte vom Schwimmunterricht befreit werden.
Das war bitter, denn endlich hatte ich eine Möglichkeit gefunden, meine
Feindin, die Sportlehrerin, zu beeindrucken. Ich war zwar keine besonders
schnelle oder elegante Schwimmerin, aber ich konnte Kopfsprung ins Tiefe
machen. Es war eine wunderbare Mischung aus Trägheit und Erregung, ganz anders
als das Springen übers kopflose Pferd. Für die Lehrerin aber war es
vergleichbar, und plötzlich stieg ich in ihrer Achtung, bis das Chlor mich
wieder zur Simulantin machte. Da waren meine langen Haare schon abgeschnitten,
damit sie gut unter die Badekappe paßten. Jetzt hatte ich Haare, mit denen man
hoffnungsvoll herumexperimentieren konnte: Pagenschnitt, mit und ohne Pony,
klebrig von süßlich riechendem nilgrünem Festiger namens Amami und vom
Haarspray, steif wie Zuckerwatte. Gail genoß die Freiheit, mit ihrem Haar
anzustellen, was sie wollte, sogar noch mehr als ich, hatte man es ihr doch
jahrelang jeden Abend auf Lockenwickler gedreht.
    Bald blieben wir, dem Geist der
fünfziger Jahre gehorchend, beide beim Pferdeschwanz, und unsere Haare waren
immer halb oben und halb unten, der Pony war noch nicht lang genug oder schon
zu lang. Wir waren von geradezu vollkommener Ungepflegtheit. Haare und
Fingernägel waren unsere Fetische, unsere Zeichensprache, die unsere unerschütterliche
Überzeugung zum Ausdruck brachte, daß wir etwas Neues darstellten. Änderte man
etwas an dieser Sprache, verschoben sich auch andere Dinge.
    Der

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