Die Anstalt
entfernt worden waren, ließ nicht lange auf sich warten. Die Schrift auf dem Zettel wie auch auf dem Adressenetikett konnten einer elektrischen Schreibmaschine vom Typ Sears Modell 1132, Jahrgang 1975, zugeordnet werden. Der Poststempel auf der Sendung machte ihr noch mehr Hoffnung, da er auf die Hauptpoststelle in Süd-Boston zurückgeführt werden konnte. Mehr oder weniger so, wie Peter the Fireman es beschrieben hatte, waren Lucy und zwei Ermittler aus ihrer Dienststelle hartnäckig und gründlich jedem Sears-Modell 1132 nachgegangen, das in einem Zeitraum von sechs Monaten vor dem Mord in Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island und Vermont verkauft worden war. Darüber hinaus hatten sie jeden Mitarbeiter des betreffenden Postamts befragt, um festzustellen, ob sich jemand daran erinnern konnte, die fragliche Sendung abgefertigt zu haben. Keine dieser Recherchen hatte so etwas wie einen brauchbaren Anhaltspunkt geliefert.
Die Leute von der Post hatten sich als wenig hilfreich erwiesen. Und falls eine Schreibmaschine per Scheck oder Kreditkarte gekauft worden war, dann war Sears in der Lage, das zurückzuverfolgen. Doch es handelte sich um ein preiswertes Modell, und über ein Viertel der im betreffenden Zeitfenster abgesetzten Maschinen waren bar bezahlt worden. Außerdem erfuhren die Ermittler, dass praktisch jeder der über fünfzig Einzelhändler in Neu-England ein neues Modell 1132 im Laden ausgestellt hatte, so dass die Kundschaft es ausprobieren konnte. Demnach war es ein Leichtes, an einem geschäftigen Samstagnachmittag ein Blatt in die Walze einzuspannen und zu tippen, was man wollte, ohne auch nur die geringste Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, selbst seitens des Personals.
Lucy hatte gehofft, dass der Mann, der ihnen die Fingerspitzen geschickt hatte, dasselbe bezüglich des ersten oder des dritten Opfers tun würde, doch da lag sie falsch.
Es war die schlimmste Art, sie an der Nase herumzuführen, die sie sich nur denken konnte; die Botschaft lag nicht in den Worten oder den Körperteilen, sondern in der Zustellung, die sie nicht zurückverfolgen konnten.
Eine beunruhigende Nebenwirkung bestand darin, dass sie gezwungen wurde, sich mit der Literatur zu Jack the Ripper zu befassen, der 1888 einem seiner Opfer, einer Prostituierten namens Catharine Eddowes alias Kate Kelly, ein Stück Niere herausgeschnitten und anschließend mit einer spöttischen, verschnörkelt unterschriebenen Notiz an die Londoner Polizei geschickt hatte. Dass der Mann, hinter dem sie her war, mit diesem berühmtesten aller Serienmordfälle vertraut war, machte sie nervös. Dieser vielsagende Umstand war eine Herausforderung an ihre Vorstellungskraft. Der Gedanke, dass sie jemanden mit einem Sinn für Geschichte jagte, gefiel ihr nicht, da dies einige Intelligenz voraussetzte. Die meisten Kriminellen, die sie eiskalt hinter Schloss und Riegel gebracht hatte, waren bemerkenswert einfältig gewesen. In der Abteilung für Sexualdelikte ging man im Allgemeinen davon aus, dass die Instinkte, die einen Mann zu einem solchen Verbrechen trieben, mit mangelnder Umsicht und Vergesslichkeit einhergingen. Diejenigen, die wahllos, aber mit einem gewissen Maß an Vorsatz und Planung zuschlugen, waren bedeutend schwerer zu finden.
Diese Mordfälle entzogen sich, wie sie einräumen musste, auf eigentümliche Weise einer klaren Zuordnung. Francis hatte Peters Frage nach der Verbindung zwischen den Morden richtig beantwortet. Doch sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mit Haarfarbe, Frisur und Körperbau bei der Auswahl der Mordopfer nicht getan war, auch wenn sie wusste, dass sie sich mit dieser Befürchtung auf unsicheres Terrain begab.
Sie trottete auf einem der Gehwege zwischen den Klinikgebäuden entlang, während ihre Gedanken um den Mann kreisten, den Peter und Francis nur noch den Engel nannten. Von dem schönen Tag, dem Sonnenschein, der die neuen Triebe der Baumkronen in seine wärmenden Strahlen hüllte und besseres Wetter versprach, bemerkte sie nichts. Lucy Jones dachte in klaren Strukturen, ordnete Fakten verschiedenen Schubfächern zu und liebte es, jedem Detail nachzugehen, weshalb sie in diesem Moment für Licht und Wärme und das Sprießen und Gedeihen ringsum nichts übrig hatte, sondern sich in die Hindernisse verbiss, die sich vor ihr auftaten. Ihr ganzes erwachsenes Leben hindurch hatte sie sich an Regeln und Vorschriften und Gesetze gehalten. Was Peter ihr vorgeschlagen hatte, machte ihr Angst, auch
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