Die Augen
so was kann?«, wollte er wissen. »Kommst du deshalb zu mir?«
»Du bist der Beste, den ich finden konnte. Künstlerische Meisterschaft und übersinnliche Begabung, die einander ebenbürtig sind. Aber in diesem Fall war es keins von beidem, was mich zu dir geführt hat, das weißt du.«
»Warum hast du mich dann gebeten, das zu tun?«
»Ich nutze jede Hilfe, die ich bekommen kann.«
»Und scheiß drauf, was es mich kostet, hm?«
»Du kannst es dir leisten.«
»Du bist ein Mistkerl, Galen – weißt du das?«
»Zufällig ja.«
Beau schwieg eine Weile, dann sagte er: »Maggie findet allmählich heraus, wozu sie fähig ist.«
»Ja. Ich habe das Gemälde gesehen.«
»In ihr Haus bist du also auch eingebrochen, hm?«
»Ihr solltet beide ein wenig in die Sicherheit investieren.«
»Offensichtlich.« Beau malte noch einige Minuten lang, dann stockte ihm der Pinsel, und er ließ die Hand sinken. Er wandte sich von der Staffelei ab. Dann öffnete er die Augen und ging zum Arbeitstisch, an dem Galen lehnte, um Pinsel und Palette zu reinigen.
»Es ist fast vorbei, Beau.«
»Wenn du meinst, dass es mir jetzt besser geht, hast du dich geirrt.«
»Sorry. Mehr kann ich nicht für dich tun.«
»Ja, klar.« Beau wischte sich die Hände an einem Lappen ab. Er konzentrierte sich völlig darauf. Dann sagte er: »Ich mache Kaffee.«
»Bisschen spät für Koffein.«
»Na ja, wenn du glaubst, dass ich heute Nacht schlafen will, bist du verrückt. Deck das zu, wenn du es dir lange genug angesehen hast, ja?« Ohne eine Antwort abzuwarten oder auch nur einen flüchtigen Blick auf das Bild zu werfen, ging Beau aus dem Atelier.
Galen sah ihm nach, dann richtete er sich auf und näherte sich der Staffelei beinahe argwöhnisch. In einiger Entfernung blieb er stehen, die kraftvollen Arme vor der Brust verschränkt, und betrachtete ein Gemälde, das außerordentlich komplex und meisterhaft gemalt war. Beinahe mochte man nicht glauben, dass der Künstler es mit geschlossenen Augen gemalt hatte.
Beinahe.
Weit entfernt von Beaus üblicher, recht bekannter impressionistischer Malweise strahlte dieses Gemälde nicht Licht, sondern Dunkelheit aus. Kühne schwarze Pinselstriche, tiefe Schatten in Kastanie, Schiefergrau und Braun ergaben einen verschwommenen, aber dennoch äußerst beunruhigenden Hintergrund, den nur die formlosen fleischfarbenen Gesichter und Gestalten im Vordergrund aufhellten.
Ein Gesicht vor allem erregte Galens Aufmerksamkeit, eins der wenigen, die deutlich zu erkennen waren. Es war schmerzverzerrt, die geweiteten Augen wurden bereits leer, als das Leben aus ihnen wich. Sein eigener eher strenger Mund verzog sich.
»Scheiße«, sagte er ganz leise.
Maggie hatte nie zu Nervosität geneigt, aber nachdem John sie in den frühen Morgenstunden zu Hause abgesetzt hatte, musste sie ihre gesamte Entschlossenheit aufbringen, um ihn nicht hereinzubitten. Sie sagte sich, es sei der Schlafmangel, doch das erinnerte sie nur daran, dass auch er Schlaf benötigte – und sich nicht auch noch um ihre Sicherheit sorgen sollte.
Sich zu sorgen nutzte niemandem, das wusste sie.
Außerdem: Wenn er die Wahrheit kannte, würde er ununterbrochen bei ihr sein und auf sie aufpassen wollen – auch das wusste sie. Und so tröstlich seine Gegenwart auch war, sie musste zumindest in der Lage sein, ein wenig Zeit allein und ohne die Ablenkung, die er darstellte, zu verbringen, um ihre Kraftreserven wieder aufzuladen, während sie versuchte, alles zu überdenken.
Zumindest sagte sie sich das, als sie nun ihr stilles Haus betrat und vorsichtig sämtliche Türen und Fenster überprüfte, ehe sie eine lange, heiße Dusche nahm und versuchte, etwas Schlaf zu bekommen. Doch der Schlaf mochte sich nicht recht einstellen. Sie döste, wachte mehrfach erschrocken auf und lauschte dann angespannt auf fremdartige Geräusche. Aber natürlich war da nichts.
Natürlich nicht.
Nach wenigen Stunden stand sie schließlich auf und zog sich an. Sehr ausgeruht fühlte sie sich nicht. Sie aß nur deshalb etwas, weil sie wusste, dass sie das tun sollte, dann überprüfte sie Garage und Auto ebenso argwöhnisch wie ihr Haus wenige Stunden zuvor. Auch als sie schon im Auto saß und unterwegs war, entspannte sie sich nicht.
Sie fragte sich, ob ihr das je wieder möglich sein würde.
Als sie wenige Minuten später Beaus Atelier betrat, sah sie überrascht, dass er einfach nur da saß und die Füße auf den Tisch gelegt hatte, anstatt zu arbeiten. Das
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