Die Außenseiter
Holz zu finden ist ungefähr so wahrscheinlich, wie Orchideen in der Tundra anzutreffen.
Während Cheelo sich eine einfache Mahlzeit zubereitete, bemerkte er, dass der Thranx sich nicht regte. »Willst du denn nichts essen?«
»Keinen Hunger. Zu kalt.« Er streckte die aufgerollten Antennen aus, aber nur zur Hälfte.
Cheelo schüttelte den Kopf, erhob sich, ging zu dem Tragesack des Thranx und durchsuchte ihn. »Für eine raumfahrende Spezies seid ihr nicht gerade anpassungsfähig.«
»Meine Spezies hat sich im Laufe der Evolutionsgeschichte auf ein Leben unter der Erde spezialisiert, und noch heute leben wir bevorzugt unterirdisch.« Selbst die gewohnt eleganten, anmutigen Gesten des Thranx wirkten träge. »Es ist schwer, sich an extreme Klimaschwankungen anzupassen, wenn es auf der eigenen Welt solche Schwankungen nie gegeben hat.«
Cheelo zuckte die Achseln und warf eine Hand voll Trockenfrüchte in einen kleinen Topf, den er mit Wasser gefüllt hatte. Wenigstens fand man im Regenwald jederzeit problemlos Wasser, wenn man Lebensmittel rehydrieren wollte. Je kühler es im Laufe des Abends wurde, desto klammer wurden Cheelos Haut und Kleidung. Decken hin oder her - der Thranx und er mussten sich auf mindestens eine kalte, feuchte Nacht auf dem steilen Berghang gefasst machen. Mit warmem Essen und heißen Getränken würden sie der Kälte halbwegs trotzen können.
Obwohl der Thranx offensichtlich keinen Appetit hatte, aß er etwas, wenn auch langsam und zaghaft. Während Cheelo seine Mahlzeit verschlang, beobachtete er den Außerirdischen genau.
»Fühlst du dich besser?«, fragte er, als beide aufgegessen hatten. Wie immer war es faszinierend, wie der Thranx sich die Mundwerkzeuge mit den Echthänden säuberte. Der Anblick erinnerte Cheelo an eine Gottesanbeterin, die sich die letzten Reste ihre Beute von den spitzen Kiefern pflückt.
»Ja, ich fühle mich besser.« Mit einer Fußhand vollzog er eine besonnene Geste, während er sich weiterhin mit den Echthänden die Mundwerkzeuge reinigte.
Vielleicht doch gar nicht so unpraktisch, vier Hände zu haben, dachte Cheelo.
»Die Geste, die ich gerade gemacht habe, bedeutet ›mehr als nur ein wenig Dank‹.«
»Wie macht man sie? So?« Unbeholfen ahmte Cheelo mit Arm und Hand die Thranx-Geste nach.
Der Außerirdische lachte nicht über den ungeschickten Versuch, sondern korrigierte Cheelo einfach: »Deine Hand hast du richtig bewegt, aber den Arm musst du so führen.« Desvendapur machte ihm die Geste erneut vor. Cheelo versuchte noch einmal, die vergleichsweise schlichte Geste nachzuahmen.
»Schon besser«, lobte Desvendapur ihn. »Versuch's noch mal!«
»Ich geb mir schon größte Mühe«, murmelte Cheelo, während er seine Armbewegung korrigierte. »Ich habe zwischen Schulter und Handgelenk nur drei Gelenke. Du hast vier.«
»Das machst du schon recht gut.« Des streckte die Fußhand aus und zog sie in einem speziellen Winkel wieder zurück. »Das ist die Geste für Zustimmung.«
»Also soll ich jetzt lernen, wie ich mit meinem Arm nicken kann, ja?« Cheelo lächelte dünn.
Die Unterrichtsstunde in Thranx-Gestik gefiel Cheelo besser als jedes Scharade-Spiel. Allerdings musste Desvendapur seine Unterweisung recht schlicht halten. Nicht, weil Cheelo zu unbeweglich gewesen wäre, um die Gesten zu imitieren, sondern weil es ihm einfach an Armen mangelte: Die Thranx drückten komplexere Emotionen mit allen vier Armen aus. Obwohl Cheelo eifrig bei der Sache war, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, eine Geste zu machen, bei der er auf dem Rücken liegen und mit allen Gliedmaßen zappelte wie ein Käfer, der sich verzweifelt auf die Beine zu drehen versucht. Desvendapur brachte ihm so lange Gesten bei, bis es völlig dunkel geworden war.
Schließlich brach der Morgen an, nebelverhangen und frisch. Gähnend drehte Cheelo sich unter der Decke um. Die Nacht war zwar feucht und kühl gewesen, aber nicht unerträglich - immer noch deutlich wärmer, als oben auf dem Felsplateau.
Cheelo setzte sich auf und reckte sich, ließ sich die Decke von der Brust bis zur Taille gleiten. Er schaute nach rechts. Sein außerirdischer Gefährte schlief noch, zusammengekauert unter seinem behelfsmäßigen Kaltwetterschutz und alle acht Gliedmaßen eng an Thorax und Abdomen gezogen.
»Zeit zum Aufbruch«, verkündete er erbarmungslos. Er stand auf und kratzte sich. »Komm schon! Wenn wir einen guten Start haben, sind wir bis zum Abend im Regenwald. Ich
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