Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
erfahren.“
15
Töte keine nichtmenschlichen Tiere, außer du wirst angegriffen oder zu Nahrungszwecken
(Satanisches Gesetz)
Einen Tag vor Weiberdonnerstag zeigte sich der Himmel offen. Die Sonne animierte Cara, in die Stadt zu fahren. Sie wollte sich zum ersten Mal allein auf den Weg machen. Leon hatte sie des Öfteren dazu ermutigt, es einfach zu versuchen, aber ihr Handy mitzunehmen, falls sie ihn brauchen würde. Egal, wo er wäre, er würde kommen, hatte er ihr versprochen. Leon war seit dem frühen Morgen in der Uni. Sie schlüpfte in ihre dicke weiße Daunenjacke, steckte Handy und einige Geldscheine ein, die Leon immer für sie bereitlegte.
Inmitten der langen Einfahrt, rechts und links umgeben von ungemähten Wiesen, auf denen Tannen als auch mehrere hohe Laubbäume in den Himmel ragten, blieb sie stehen und sah sich um. Nun war sie schon fast, sie rechnete schnell, drei Monate hier und erst jetzt nahm sie ihre nahe Umgebung bewusst auf. Die Wiesen seitlich der Einfahrt säumte ein niedriger Holzzaun. Das im Fachwerkstiel erbaute Haus lag geschützt seitlich am Ende der Einfahrt neben dem großen Hof, über den es zum Schuppen und zum Gesindehaus ging. Letzteres war von der Straße aus nicht zu sehen. Hinter dem Anwesen lag direkt der Kottenforst. Cara schritt weiter bis zu dem zweimal vier Meter breiten gusseisernen Eingangstor, das von dicken weißen Betonpfosten gehalten wurde. Auf der einen Seite folgte direkt daran ein niedriger Lattenzaun und auf der anderen eine verwilderte, bestimmt zwei Meter hohe Laubhecke. Das Tor stand wie immer offen, wenn Leon mit dem Auto unterwegs war. Cara fröstelte. Sie schloss es gewissenhaft und drehte den Schlüssel, bis es nicht mehr ging. Unschlüssig stand sie eine Weile da. Das Klingeln eines Radfahrers ließ sie zur Seite springen. Unmittelbar vorm Haus führte ein Radweg vorbei, durch einen breiten Rasenstreifen von der Straße abgegrenzt. Sie ging ein paar Schritte und erblickte schon bald am Ende des Grundstücks ein Hinweisschild auf einen Wanderparkplatz. Sie machte kehrt und erspähte unweit des Tores die Bushaltestelle. Hier stieg sie eine Viertelstunde später in den Bus zur Bonner City. Am Bahnhof verließ sie ihn und schlenderte durch die Fußgängerzone. Ihre Augen hielten wachsam einige markante Punkte fest, die ihr den Rückweg zum Bahnhof sichern sollten. Am Münsterplatz verweilte sie einige Zeit und sah sich um. Wandte sich dann nach rechts und blieb kurz darauf vor einem Mutter und Kind-Laden stehen. Ohne zu zögern, trat sie ein.
Nach einer weiteren Stunde verließ sie das Geschäft mit einer kompletten Babyerstausstattung, gepresst in zwei große Tüten. Sie schleppte sie zurück zum Bahnhof und entschied sich, ein Taxi nach Hause zu nehmen. Dort angekommen, schlug sie ohne zu überlegen sofort den Weg zum Gesindehaus ein. Erst als sie den Schlüssel ins Schloss steckte, bemerkte sie ihr Verhalten und hielt inne. Sogleich begann sie zu zittern. Ihr Herz schlug heftiger. Da war sie wieder, diese Angst, dieses Gefühl, das sie trieb, Dinge zu tun, ohne sich vorher bewusst dafür entschieden zu haben. Sie starrte die großen, prall gefüllten Plastiktüren an und dachte, das habe ich doch alles für mein Baby gekauft, warum trage ich es nicht ins Haus? Was hatte sie überhaupt dazu getrieben, so unvermittelt all diese Sachen zu erstehen? Sie und Leon wollten das doch gemeinsam erledigen. Sie wusste es nicht, glaubte geradezu einen Moment, gar nicht dabei gewesen zu sein. Nur noch vage konnte sie sich an die Einzelheiten des Einkaufs erinnern. Leon würde bestimmt böse auf sie sein. Er durfte davon nichts erfahren. Also musste sie die Sachen auf jeden Fall in dem Keller deponieren, wo sie diese intuitiv ja auch hinbringen wollte. Sie fuhr sich durch die Haare. Es hatte also schon seine Ordnung. Sie sollte doch diesen Therapeuten anrufen, dachte sie überrascht. Und wenn sie ihm alles erzählte, und er sie dann für verrückt erklärte?, ängstigte sie sich, dann würde er sie vielleicht in eine Anstalt einweisen. Auf einmal wurde ihr klar, warum sie ihn immer noch nicht angerufen hatte. Sie fürchtete sich. Leon hatte bis jetzt zum Thema Therapeut geschwiegen. Er schien zu warten, sah sie jedoch das ein oder andere Mal fragend an. Sie wusste seine Blicke genau einzuordnen.
Die Stimme klang dunkel und bestimmt in ihr. „Los, mach schon!“ Schlagartig spürte sie Energie ihren Körper durchfluten. Sie stieß die Tür auf, griff die
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