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Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bärenkralle: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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Schreibtisch. Ihr Stethoskop lag neben einigen Lehrbüchern in der mittleren Schublade. Er öffnete eines davon. Sie hatte ihren Namen mit dicker blauer Tinte hineingeschrieben. Gedankenverloren starrte er darauf.
    »You must be a very happy man, Axel«, murmelte er. »Alles kriegst du auf einem Silbertablett serviert.«
    Unter einem anderen Buch fand er einen DIN-A4-Umschlag, auf den sie ebenfalls mit Tinte ihren Namen geschrieben hatte. Er war nicht zugeklebt, und als er ihn öffnete, sah er, dass er einen Stoß kleinerer Umschläge enthielt. Immer noch wusste er kaum etwas über sie, und daran sollte sich auch nichts ändern. Auf diese Weise hatte er die Kontrolle behalten. Zudem ermöglichte es ihm, bei dem Gedanken, sie niemals wiederzusehen, vollkommen ruhig zu bleiben. Die Erinnerung an sie würde allmählich verblassen und schließlich kaum mehr existent sein. Damit konnte er sein Leben ungestört fortsetzen. Es war Freitagnachmittag, und er freute sich auf ein freies Wochenende. Am Samstag würde er Toms Mannschaft trainieren. Marlen war beim Reiten. Am Nachmittag wollte er einen Abstecher nach Larkollen unternehmen und das Boot winterfest machen. Die Veranda seiner Sommerhütte mit Holzschutzöl streichen. Vielleicht hatte Tom Lust mitzukommen. Wenn sie wollten, konnten sie bis Sonntag bleiben, nur sie beide. Ansonsten gab es nicht viel zu tun. Ein paar Sockelleisten in der Hütte sollte er streichen und vielleicht mal wieder den Keilriemen von Bies Auto auswechseln, fiel ihm ein.
    Er steckte seine Hand in den Umschlag und wollte gerade ein paar der Unterlagen herausziehen, als er hörte, wie jemand auf dem Flur seinen Namen rief. Rasch ließ er den Umschlag wieder in der Schublade verschwinden.
    Vor der Tür zu seinem Behandlungszimmer stand Solveig Lundwall.
    »Hallo, Dr. Glenne«, sagte sie, als sie ihn kommen sah. Er hörte ihr sofort an, dass es ihr immer noch nicht gutging.
    Er bat sie herein und erkundigte sich, wie ihr Aufenthalt auf der geschlossenen Abteilung verlaufen war. Sie war mit Riemen fixiert worden.
    »Ist das wahr?«, rief er.
    Sie warf ihm einen düsteren Blick zu.
    »Glauben Sie etwa, ich lüge?«
    »Natürlich nicht. Ich habe mich nur gewundert.«
    Wie sie dort vor ihm saß, mit grauem Rock und dunkelblauem Rollkragenpullover – ein wenig mitgenommen zwar, aber sorgfältig geschminkt –, fiel es ihm schwer, sie sich schreiend und tobend vorzustellen, während sie zwangsfixiert worden war.
    Er maß ihren Blutdruck und schrieb ein Rezept aus.
    »Ich nehme so schrecklich zu durch diese Tabletten«, klagte sie. »Muss ich die denn unbedingt nehmen?«
    Er konnte sie gut verstehen. Sie hatte während des letzten Jahres fast zehn Kilo zugenommen.
    »Haben Sie das Gefühl, wieder alles unter Kontrolle zu haben?«
    »Ich habe Angst vorm Einschlafen, weil diese Gedanken dann wieder da sind.«
    »Dass Sie jemand warnen müssen?«
    »Ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass bald etwas Schreckliches geschehen wird. Es gibt so viele Zeichen.«
    Er strich sich die Haare zurück.
    »Es kommt immer darauf an, wie man die Zeichen deutet«, entgegnete er.
    Sie starrte vor sich hin.
    »Gestern Abend bin ich mit der Straßenbahn gefahren. Mein Nebenmann las Zeitung. Diese schreckliche Geschichte von der Frau, die von einem Bären gefressen wurde.«
    »Also gefressen ist stark übertrieben«, beruhigte er sie.
    »Als ich aussteigen will, kommt plötzlich eine alte Frau zu mir. Ich glaube, sie ist blind. Ihre Augen sind milchig und matt, dennoch starrt sie mich direkt an und sagt: ›Du weißt es auch. Ich sehe es an deinen Augen.‹ Dann drückt sie mir einen kleinen Zettel in die Hand. Ich habe schreckliche Angst, bin verzweifelt, aber vor allem habe ich Angst. ›Du hast die Gabe‹, flüstert sie mir zu, bevor ich aussteigen kann.«
    Axel sah, wie ihre Halsschlagader heftig pulsierte.
    »Was stand auf dem Zettel?«
    Solveig Lundwall blickte sich verstohlen um, ehe sie antwortete:
    »Off. 11,7.«
    Er dachte nach.
    »Hat das was mit der Bibel zu tun?«
    Sie griff in ihre Tasche, zog ein kleines, dickes Buch heraus und begann zu blättern.
    »Die Offenbarung des Johannes.«
    Sie fand die Stelle und las:
    »Und wenn sie ihr Zeugnis geendet haben, so wird das Tier, das aus dem Abgrund aufsteigt, mit ihnen Krieg führen und wird sie überwinden und wird sie töten.«
    »Ich würde mir wünschen, dass Sie von solchen alten Damen nicht belästigt werden«, sagte er, aber sie ging nicht darauf

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