Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
passierte.
Danach war alles sehr schnell gegangen, und das war das Einzige gewesen, was er nicht bedacht hatte. Er war auf der Stelle zur Schulkrankenschwester geschickt worden, und dann war die Polizei gekommen, Papierkram war ausgefüllt worden, und schon hatte der Staat ihn in Obhut genommen.
Sie hatten darauf geachtet, dass er nur mit Frauen zu tun bekam, als würde das die Sache für ihn leichter machen. Vor allem während der körperlichen Untersuchung – von der sie erwartet hatten, dass sie ihn besonders verstören würde.
Und warum hätte er sie enttäuschen sollen?
Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass er innerhalb von zwei Stunden in Pflegeunterbringung käme.
Denn das einzige Ziel, auf das er wirklich hingearbeitet hatte, war dieser Teil hier gewesen, das Endspiel mit seinem Vater. Er hatte weglaufen und ein Auto kurzschließen müssen, um rechtzeitig zu Hause zu sein. Bevor die Polizei seinen Vater verhaftete, wenn er vom Feld kam. Alles wäre umsonst gewesen, wenn er den letzten Akt vermasselt hätte.
Aber es hatte wunderbar geklappt.
In den letzten Momenten des erbärmlichen Lebens seines Vaters drehte Matthias den Radioknopf auf einen der religiösen Sender – und hielt kurz inne. Die Predigt handelte von der Hölle.
Wie passend.
Er sah zu, wie der letzte Atemzug getan wurde, und dann setzte Stille ein. Es war seltsam, wenn ein Mensch plötzlich auf die andere Seite trat, wenn das, was einmal belebt gewesen war, ununterscheidbar von einem Toaster oder einem Teppich oder auch einem Radiowecker wurde.
Matthias wartete noch ein Weilchen, bis die Totenblässe vollständig zu Grau gewechselt hatte. Dann stand er auf, zog den Stecker seines Radios aus der Wand und klemmte sich das Ding unter den Arm.
Die Augen seines Vaters waren offen und starrten an die Decke, ungefähr so, wie die von Matthias es jahrelang des Nächtens getan hatten.
Er zeigte dem Kerl nicht den Stinkefinger oder spuckte auf ihn herab oder trat nach ihm. Er ging einfach nur an der Leiche vorbei und die Treppe hinunter. Sein letzter Gedanke, als er das Haus verließ, war, dass es eine interessante Geistesübung gewesen war. Und er wollte sehen, ob er das wiederholen könnte …
»Matthias?«
Er stieß einen Schrei aus, machte einen Satz auf seinem Stuhl, und das Restaurant rauschte zu ihm zurück, die Wände klappten wieder aufrecht, das Hintergrundgeräusch essender und sich unterhaltender Menschen drang zu ihm durch.
Andere Restaurantgäste drehten sich zu ihm um, und Dee beugte sich vor. »Alles in Ordnung?«
Ihr schönes Gesicht war zu einer mitfühlenden Miene verzogen, die Lippen leicht geöffnet, als bekäme sie vor lauter Bestürzung keine Luft.
Die Leere, die er in seinem jüngeren Ich gespürt hatte, machte sich in seinem Brustkorb breit, als hätte die Erinnerung seine innere Programmierung wieder neu eingestellt, ihn justiert wie die Lenkung eines Autos, die falsch ausgerichtet gewesen war. Als er jetzt die Frau ihm gegenüber betrachtete, geschah es aus einer großen Distanz heraus: Kühle Objektivität schuf einen Abstand zwischen ihnen, obwohl ihre Stühle nicht verrückt worden waren.
Gefühle konnten so leicht vorgetäuscht werden, wie er selbst nur zu gut wusste.
Das Lächeln fühlte sich anders auf seinem Gesicht an als zuvor – aber auch sehr vertraut. »Alles in bester Ordnung.«
In dem Moment kam die Kellnerin mit seinem üppigen Frühstück an, und als sie es vor ihm abstellte, hätte er schwören können, dass Dee sich zurücklehnte und zufrieden grinste.
Mels stand am Eingang des Restaurants und hatte es satt, Stalkergirl zu spielen. Schlimm genug, dass sie überhaupt auf diese Pirsch ins Marriott gekommen war, aber Matthias jetzt noch mit dieser Krankenschwester zu sehen? Nun hatte sie zwei Gründe, sich mies zu fühlen: Sie hatte ihre Selbstachtung verloren, und sie wusste, dass die Frau dort in einer anderen Liga spielte als sie.
Als ein Teller in der Größe einer Tischplatte vor Matthias abgesetzt wurde, sah er seine Frühstücksbegleiterin mit einem verschlagenen Lächeln an und …
Ohne ersichtlichen Grund drehte er den Kopf genau in dem Moment, als sie kehrtmachte.
Ihre Blicke begegneten sich, und sofort verwandelte sich sein zynischer Gesichtsausdruck in etwas, das sie nicht deuten konnte – und von dem sie sich einredete, dass es ihr egal war.
Was auch immer. Das hier ging sie nichts an.
Und ganz bestimmt würde sie sich nicht die Mühe machen, theatralisch zu
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