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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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verrücken. Er sprach laut, eine Frauenstimme antwortete. Ich erkannte Elenas Stimme mit dem südlichen Akzent. Sie lachte perlend, es klang fast wie eine Tonleiter, auf- und absteigend. Eine Weile wurde es ruhiger, dann vernahm ich rhythmisches Stöhnen und kleine Schreie. Die beiden schliefen offenbar auf Sebastians Sofa miteinander und schienen eine Menge Spaß zu haben. Das beruhigte mich. Wenn Sebastian und Elena eine Affäre hatten, dann war Sebastian nicht so auf mich fixiert, wie ich es befürchtet hatte. Und dann waren es Hirngespinste, sich vorzustellen, er hätte heimlich auf meinem Bett gelegen. Aber wer sonst?
    Erst in den frühen Morgenstunden fiel ich in eine Art Halbschlaf. Als ich um halb acht aufstand, wurde ich von Schwindelgefühlen gequält. Ich fuhr mit der U-Bahn zur Arbeit, weil ich mir das Autofahren nicht zutraute.
    Im Sender angekommen, legte ich meine Tasche auf meinem Schreibtisch ab und ging direkt zu Michaela. Evelyn, Heike und sie saßen an ihren Computern.
    Â»Guten Morgen. Na, wie läuft es bei euch?« Es kostete mich viel Kraft, normal zu klingen.
    Â»Morgen, Janne«, sagten Evelyn und Heike gleichzeitig. Ich bemerkte ihre erstaunten Blicke, die sich sicher auf mein Aussehen bezogen. Die fürchterlichen Ränder unter den Augen hatte ich nicht überschminken können.
    Michaela sah nur kurz auf und tippte dann weiter.
    Ich beschloss, sie nicht direkt zu konfrontieren, sondern sie erst mal aus dem Gemeinschaftsbüro zu lotsen. »Michaela? Ich bin ein bisschen spät dran, aber wollen wir noch zusammen einen Kaffee trinken?«
    Â»Schaffe ich nicht. Ich muss etwas für Vanessa Ott fertig machen.«
    Ich war sofort verärgert. »Hab ich was verpasst? Du bist meine Assistentin. Oder arbeitest du jetzt direkt für die Bloomsdale-Leute?«
    Â»Sieht so aus«, meinte Michaela. »Ich kann jedenfalls nichts dagegen machen. Ich muss um meinen Job kämpfen. Wenn es schon sonst niemand tut.«
    Ich hörte, wie Evelyn hinter meinem Rücken hörbar einatmete. Natürlich verfolgten sie und Heike das Gespräch genau. Ich stellte mich direkt vor Michaelas Schreibtischkante. Musste ich mich von meiner eigenen Assistentin so abkanzeln lassen?
    Â»Was soll die Anspielung? Was ist los? Habe ich dir was getan?«, fragte ich in schärferem Ton.
    Michaela wich meinem Blick aus, zuckte nur mit den Schultern.
    Â»Ich habe das ganze Wochenende versucht, dich zu erreichen«, sagte ich. »Ich hab mir Sorgen gemacht, wegen deiner Nachricht am Freitag. Warum bist du nie drangegangen?«
    Michaela hörte auf zu tippen. Ihre Augen funkelten wütend. »Stell dir vor, über so einen Anruf hätte ich mich gefreut. Sehr sogar! Das ganze Wochenende hab ich gewartet, doch du hast es nicht mal versucht. Du warst wohl zu beschäftigt.«
    Â»Wie bitte? Ich habe dich mindestens viermal angerufen.«
    Â»Mein Handy war die ganze Zeit an. Und da ist kein einziger Anruf von dir eingegangen. Und dass du mich jetzt auch noch belügst …« Sie wandte den Kopf ab.
    Â»Pass auf, was du da sagst. Ich weiß nicht, was schiefgelaufen ist, aber jedenfalls habe ich dich angerufen.«
    Ich war außer mir. So kam ich nicht weiter mit ihr. Sie bockte, und ich wurde immer wütender. Gleich würde ich ihr etwas Unüberlegtes an den Kopf schmeißen. Und so würde ich nicht herausfinden, was geschehen war.
    Ich ging wortlos aus dem Zimmer in mein Büro und knallte die Tür zu. Ich wollte niemanden mehr sehen. Gleichzeitig war mir bewusst, dass ich mich nicht abschotten durfte. Alle Türen im Sender hatten tagsüber offen zu stehen. Wie sah denn das aus? Ich war Abteilungsleiterin und musste ansprechbar sein. Aber ich sehnte mich danach, allein zu sein, am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen.
    Ich ging zum Schreibtisch und nahm meine Handtasche, um sie auf das Sideboard zu stellen. War die Tasche nicht verschlossen gewesen? Wenn ich draußen unterwegs war, machte ich den Reißverschluss immer fest zu. Jetzt stand er offen. Ich kontrollierte den Inhalt. Es war alles da, mein Portemonnaie, das mir Gregor zu Weihnachten geschenkt hatte, mein Schlüsselbund, mein Handy. Ich versuchte, die U-Bahn-Fahrt zu rekonstruieren, einzelne Handgriffe. Aber ich konnte mich nicht erinnern, die Tasche unterwegs geöffnet zu haben. Wieder nahm ich mir vor, meine Sachen nicht unbeaufsichtigt herumstehen zu lassen.

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