Die bestellte Braut
wieder aufzustehen und etwas herumzulaufen. Finney war zwar blasser und schmaler als sonst, aber sie fühlte sich so wohl wie selten im letzten halben Jahr.
Eigentlich hatte der alte Dave mit Aufstehen gemeint, dass sie ein wenig im Garten spazieren gehen sollte und sich dann wieder ausruhen, aber diesen ursprünglichen Plan verwarf die junge Frau, als sie die Treppen herunterkam und aus dem Salon Eugenia Straights Stimme hörte, die sich lautstark über ihre Kinder beschwerte. Sie hatte bald Geburtstag und die Kinder hätten ihr eine Freude machen wollen, indem sie sie alle besuchen kamen. Als wäre das eine Freude für sie!!! Nun musste sie kochen und backen, die Zimmer herrichten und am Ende hätte dieses undankbare Pack ihr wieder den halben Hausrat weggeschleppt!
Finney rollte nur mit den Augen und bemitleidete innerlich Mrs. Trudi, die sich diese Schimpftirade anhören musste, dann schlüpfte sie in ihren Mantel und entwischte leise durch die Tür nach draußen.
Es war ein kühler aber klarer Vormittag mit einem strahlend blauen Himmel, in den sich die Rocky Mountains erhoben. Finney atmete tief die frische Luft ein und musste breit lächeln. Je länger sich ihre Grippe hingezogen hatte umso unruhiger war sie geworden, aber jetzt konnte sie sich endlich wieder frei bewegen. Was auch hieß, dass sie bald wieder der Black Creek Ranch einen Besuch abstatten könnte. Das Lächeln wurde bei diesem Gedanken noch etwas breiter. Durch ihre Krankheit hatte sie die Sullivans weder zu Weihnachten noch zu Neujahr gesehen, aber die gesamte Familie hatte ihr einen kurzen Brief geschrieben, um ihr gute Besserung zu wünschen. Und aus den fünf verschiedenen Unterschriften hatte sie herauslesen können, dass Luke wohl den Text verfasst haben musste.
Miss Finney wusste eigentlich gar nicht so recht, wo ihr Spaziergang sie hinführen sollte und irgendwie landete sie ganz unversehens auf dem kleinen Friedhof von Green Hollow. Da sie selbst nach dem Mineneinsturz nicht die Zeit gehabt hatte an den Beerdigungen teilzunehmen und danach so viel passiert war, befand sie, dass es jetzt eine ganz gute Zeit wäre um den Verunglückten endlich die letzte Ehre zu erweisen. Und so machte sie eine große Runde um den Friedhof und blieb an jedem Grab ein paar Minuten stehen. Bei dem schlichten Holzkreuz, auf dem Jim Reed stand, verweilte sie einige Minuten länger. Nur zu deutlich stand ihr das schweißnasse Gesicht des jungen Mannes vor Augen und wie er sie immer wieder fragte ob auch niemand von seinen Arbeitern unten geblieben wäre. Und ob man Luke auch hinauf gebracht hätte. Sie hatte ihr Bestes getan, um den Mann zu beruhigen, bis er schließlich für immer die Augen geschlossen hatte. Steffiney konnte nichts gegen die Tränen tun, die ihr über die Wangen liefen. Nach einiger Zeit riss sie sich wieder zusammen, wischte sich übers Gesicht und ging weiter.
Eigentlich hatte sie allen Gräbern, die sie hatte sehen wollen, einen Besuch abgestattet, als zwei kleine Holzkreuze etwas abseits ihren Blick auf sich zogen. Damit war ihre Neugier geweckt. Fünf Minuten länger an der frischen Luft würden ihr nicht schaden und sie fühlte sich auch nicht im Mindesten müde.
Mit verschränkten Armen blieb Finney vor den beiden Kreuzen stehen und las überrascht die Inschriften: Prudence Sullivan, gest. 1861 und Josephine Sullivan, gest. 1865. Prudence Sullivan war Charles Frau gewesen. Soviel wusste sie aus den Notenheften, in die fein säuberlich der Name der verstorbenen Mrs. Sullivan geschrieben war. Aber wer war Josephine? Weder die Brüder noch ihr Vater hatten je eine Schwester erwähnt!
Noch mitten in ihrer Verwirrung sah Finney sich plötzlich von einer wohlbekannten tiefen Stimme angesprochen. „Guten Tag, Finney. Es freut mich zu sehen, dass Sie wieder wohlauf sind. Sie wurden auf der Ranch sehr vermisst.“
Etwas erschreckt fuhr die junge Frau herum, um sich Auge in Auge mit Luke Sullivan wiederzufinden, der schräg hinter ihr stand. Es dauerte einen Augenblick bevor sie sein Lächeln erwidern konnte. Sie hatten einander zum letzten Mal an dem Morgen gesehen, als Luke nach Colorado Springs geritten war und das war inzwischen fast zwei Monate her. Er sah so gut aus wie eh und je. Fast noch etwas besser als vor seiner Abreise, musste Finney feststellen.
„Ja, danke, es geht mir wieder gut. Dave hat mir erlaubt heute ein bisschen spazieren zu gehen. Ich...“ Finney schaute sich etwas unbehaglich um, da sie nicht sicher war wie
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