Die Beute
Lokal. Anderson stand mit abgewandtem Kopf an der Bar, seine Hände lagen auf dem Tresen, als verfolge er aufmerksam das Dartspiel. Obwohl er augenscheinlich nichts tat, beobachtete er seine Umgebung und kontrollierte argwöhnisch den Raum. Matt hielt schnell nach Andersons Bruder Travis Ausschau. Kane war unberechenbar – und sadistisch, auch wenn Matt ihm das vor sieben Jahren nicht hatte nachweisen können, doch Travis hielt ihm immer den Rücken frei und konnte brutal werden, wenn es um die Verteidigung seines kleinen Bruders ging. Matt wurde klar, dass es ziemlich dumm gewesen wäre, nach so einer Begegnung den beiden den Rücken zuzukehren, vor allem, wenn man nicht bewaffnet war. Der ältere Anderson schien jedoch nicht da zu sein, also folgte er Jodie in die kalte Nacht hinaus.
Er ging am Pub entlang und blieb an der Ecke im Licht stehen, das aus den Fenstern fiel. Als er die Stufen herunterkam, drehte sie sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und wich langsam zurück. Es sah eher wie ein Staksen als ein Gehen aus, ihr Mund war eine harte Linie. Mann, sie war total sauer. Es war mutig von ihr gewesen, sich Anderson so in den Weg zu stellen.
Er blieb ein paar Schritte vor ihr stehen. »Danke noch mal.«
Er verharrte am Fuße der Stufen. »Nette Aktion«, sagte er und wies mit dem Kopf Richtung Flur. »Ist gar nicht so leicht, wenn man mit dem Rücken an der Wand steht.«
Sie nickte steif. »Danke. Hat wohl hingehauen. Aber Sie waren auch nicht schlecht.«
Er grinste. »War ein guter Doppelpass, er konnte nur wieder reingehen und noch ein Bier trinken. Tut mir leid, dass er Sie belästigt hat. Nicht alle hier sind so.«
Sie sah ihn lange an. Matt steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke und wartete, bis sie fertig war. Sie hatte eine harte Nacht hinter sich, vermutlich wollte sie also nur herausfinden, mit wem sie es jetzt zu tun hatte. Als sie in sein Gesicht sah, entspannten sich die Züge um ihren Mund ein wenig, ihre Schultern wurden lockerer, und der Ärger oder was immer in ihren Augen lauerte, wich langsam zurück.
Sie lächelte ein wenig. »Hoffentlich verursachen nicht alle Touristen hier solche schrecklichen Umstände.«
Er lachte. »Ich habe den Mietwagen gebracht.« Er zeigte auf einen klapprigen Sedan auf der anderen Straßenseite. Die Fahrertür war in einer anderen Farbe als der Rest des Wagens lackiert, und im hinteren Kotflügel war eine Delle.
»Oh, wow, Sie hätten erwähnen sollen, dass es sich um eine Limousine handelt.« Sie lachte, ein tiefes Rollen, das ihm schon vorhin am Straßenrand aufgefallen war.
»Das meiste Gepäck hat in den Kofferraum gepasst, der Rest ist auf dem Rücksitz. Wo sind Ihre Freundinnen?«
Mit zusammengepressten Lippen zeigte sie mit dem Kopf zurück zum Pub. »Drinnen.«
»Fühlen Sie sich in der Lage reinzugehen und sie zu holen?«
»Nicht unbedingt. Ich ruf sie an.« Sie wollte ihre Hand in die Tasche stecken, doch dann wurde ihr klar, dass sie gar keine Jacke anhatte. »Nur habe ich mein Telefon leider nicht dabei.« Sie sah erschrocken zum Pub.
Matt konnte ihr nicht verübeln, dass sie nicht mehr zurückgehen wollte. Anderson war immer noch da drinnen. »Ich gehe.« Er zog seinen Mantel aus und warf ihn ihr zu. »Ziehen Sie den an, dann erfrieren Sie hier draußen wenigstens nicht. Der Autoschlüssel steckt in der rechten Manteltasche. Setzen Sie sich rein.« Er wandte sich zum Gehen, blieb dann aber stehen. »Vielleicht zeigen Sie mir den Trick von eben noch mal, bevor ich reingehe.«
Sie hob eine Augenbraue. »Dazu braucht man viel Übung, für die haben Sie jetzt keine Zeit.«
»Mein Handy steckt in der Tasche. Wenn ich in fünf Minuten nicht wieder da bin, rufen Sie bitte einen Krankenwagen.«
Sie sah ihn kurz prüfend an. »Sie sehen aus, als könnten Sie es schaffen.«
Er ließ Jodie auf dem Gehsteig stehen. Er war gut beleuchtet, kein Mensch war weit und breit zu sehen, außerdem stand sie direkt vor dem großen Fenster des Pubs. Matt vermutete, dass sie schon genug Wirbel machen würde, falls Anderson noch einmal aufkreuzen sollte. Bei dem Gedanken daran musste er lächeln. Wahrscheinlich würde sie ihn niederschlagen.
Ihre Freundinnen hatten sich unter das Volk gemischt und sahen beim Dartspiel zu. Die große Blonde hatte sich auf einen Barhocker gesetzt. Als er näher kam, sah er, dass sein Dad auf die Tafel zuging. Er sah gut aus heute Abend, nicht so müde. Das war mit ein Grund, weshalb Matt sich ein wenig besser
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