Die Beute
durch das Fenster in dein Haus einsteigen, den Schlüssel holen und uns bringen.«
Hannah legte ihre Hand an die Wange. »Oh, mein Gott. Jetzt erinnere ich mich wieder. Das war Schweden.«
»Wir hatten Roland noch zum Abendessen eingeladen«, sagte Corrine. »Doch er wollte unser Wochenende nicht stören. Toller Mann.«
Jodie lächelte bei dem Gedanken an Corrines Mann und Lous Gabe, für gute Stimmung zu sorgen. »Wie kommt es, dass du dich immer an alles erinnern kannst, Lou?«, fragte sie nicht zum ersten Mal. Louise war eine wandelnde und sprechende Datenbank. Ein hoffnungsloser Fall, was Telefonnummern und Namen betraf, aber ein wahres Lexikon, wenn es um das Abrufen völlig überflüssiger Informationen ging. Das war grandios, wenn man mit ihr im Team Trivial Pursuit spielte, aber äußerst schmerzhaft, wenn es um Politik ging. »Du hast viel zu viel in deinem Kopf gespeichert.«
»Das ist eine Gabe, kann ich euch sagen, eine wahre Gabe«, sagte Louise und hob ihr Glas. »Prost, Ladys.«
Jetzt wusste Jodie, dass die Stimmung langsam besser wurde. Sie köchelte zwar noch nicht vor sich hin, aber wenigstens war sie jetzt nicht mehr so eisig.
Nach Louises herrlichem Curry, dem Dessert mit kübelweise Sahne, gefolgt von unerhört viel Käse und Schokolade und reichlich Wein, war die Stimmung endlich auf dem Höhepunkt.
Alle vier saßen auf dem Boden und waren der Reihe nach vor Lachen immer wieder umgekippt. Angesichts so viel Ausgelassenheit hatte Jodie ihre Angst fast vergessen, auch weil sie hier sicher in der Scheune eingeschlossen waren. Selbst Corrine dachte nicht mehr an ihren schmerzenden Fußknöchel, als sie über Louises Geschichte kicherte, wie sie irgendwann zwischen dem ersten und zweiten Irakkrieg als Auslandskorrespondentin in Afghanistan gearbeitet und dort in der Wüste halb vergammeltes Ziegenfleisch gegessen hatte.
Da hatte Jodie sie noch nicht gekannt. Sie waren sich erst ein paar Jahre später in der Spielgruppe begegnet, bevor ihre Kinder zur Schule kamen. Als Louise mit fünfzehn Monaten Abstand zwei Zwillingspärchen bekommen hatte, war ihr klar geworden, dass sie nicht alles haben konnte, also hatte sie ihre kometenhafte Reporterkarriere an den Nagel gehängt. Jodie vermutete, dass Louises umwerfende Geschichten nur teilweise der Unterhaltung dienten. Wahrscheinlich wollte sie sich auch ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht immer knietief durch Windeln und Schulbrote gewatet war.
Sie hatten auch Corrine und Hannah in der Spielgruppe kennen gelernt. Um ehrlich zu sein, hatte Lou sie aufgegabelt, als sie frustriert am Basteltisch gesessen hatten – Corrine hatte verzweifelt versucht, Farbe und Kleber von ihren Designerklamotten fernzuhalten, während Hannah nervös eine Dreijährige in Schach zu halten versuchte, die Glitzer auf einen ausgeschnittenen Osterhasen rieseln ließ. Corrine und Hannah kannten sich schon, waren Spielgruppenveteranen, denn sie hatten Kinder, die bereits zur Schule gingen. Lou hatte ihnen Jodie, die Neue, vorgestellt, die drei auf einen Kaffee zu sich nach Hause eingeladen, wo die Kinder toben durften, und dann aus irgendeinem Grund, den nur sie kannte, beschlossen, dass sie sich gut verstehen mussten. Sie sollte natürlich recht behalten, obwohl sie so unterschiedlich waren – Karrieren, Geld, Status, Alter (Corrine hatte letztes Jahr die große Vier-Null-Grenze überschritten, Lou hatte die mit einem feuchtfröhlichen Grillfest vor drei Monaten gefeiert, Hannah erreichte nächstes Jahr den Meilenstein, und Jodie war mit ihren fünfunddreißig das Baby unter ihnen). Acht Jahre später war die Freundschaft zu allen und jeder einzelnen Frau auch deshalb zu einem wichtigen Bestandteil für Jodie geworden, weil sie gedacht hatte, nie wieder so eng mit jemandem befreundet sein zu können.
»Übrigens, Jodie«, sagte Louise und warf eine gebrannte Mandel nach ihr. »Der Typ von der Tankstelle ist perfekt für dich.«
Jodie verdrehte die Augen und lachte. Louise hatte getrunken. Sie war zwar nicht total besoffen, aber ein wenig beschwipst. Das waren sie alle, aber deswegen musste man sie nicht gleich verkuppeln. »Nicht das schon wieder.«
»Nein, wirklich, er ist heiß. Wenn ich nicht verheiratet und durch die Geburt von vier Zwillingen vorzeitig gealtert wäre, würde ich mir einen Flirt mit ihm ernsthaft überlegen.«
»Oh, ja, total«, sagte Hannah und fing eine Schokoerdnuss mit dem Mund auf. »Er ist mit meinem Pete zwar nicht zu vergleichen, aber
Weitere Kostenlose Bücher