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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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fürstlich, alles wird einem zur Verfügung gestellt. An Russen werden in Matfejews Kompanie nur Adelige aus angesehenen Familien aufgenommen, ansonsten dienen dort eher Schweizer, Deutsche und Schotten. Stattliche Kerle, alle durch die Bank, Cornelius hatte sie mehrfach auf dem Roten Platz gesehen und am Tor von Matfejews Palast in der Pokrowka-Uliza. Er hatte ihre Haltung bewundert und die silbernen Kürasse. Und war neidisch geworden.
    Deshalb hatten ihn die Worte des Mohren zum Zittern gebracht, er traute seinem Glück nicht so recht. Für ihn, einen einfachen Soldaten, wäre es schon ein Geschenk des Himmels gewesen, als Fähnrich in Matfejews Kompanie auf genommen zu werden.
    »Nenn mich Iwan Artamonowitsch«, fuhr der Wohltäter fort. »Ich bin ein Patensohn des Bojaren und sein Haushofmeister. Du wirst tun, was ich sage. Du wohnst hinfort im Palast von Artamon Sergejewitsch. Schick deine Kompanie mit dem Unteroffizier nach Hause, und komm mit mir, um das neue Kommando zu übernehmen.«
    »Und was ist mit dem früheren Hauptmann?«, fragte von Dorn, der einen bösen Streich fürchtete.
    »Dmitri Weberow ist gestorben«, antwortete Iwan Artamonowitsch ruhig. »Vor vier Tagen hat man gesehen, wie er abends heimlich den Palast des Fürsten Miloslawski verließ, wo Dmitri nichts zu suchen hatte. Und am Morgen, als er die Musketiere zur Wache am Zarenschloss führte, stolperte er auf einmal und fiel in ein Messer. Mit der Kehle. Er schaffte es noch nicht einmal, ein Gebet zu sprechen. Alles liegt in Gottes Hand.«
    Der Mohr bekreuzigte sich und ließ seine braune Hand mit den weißen Fingernägeln sehen.
    »Überleg es dir, Kornej. Wenn du treu bist und zuverlässig dienst, steht dir eine große Zukunft offen. Wenn du aber stiehlst und dich von den Versprechungen übel Gesinnter verführen lässt, dann geschieht mit dir das Gleiche wie mit Dmitri, diesem undankbaren Köter. Dann versetzt dir diese Hand hier den Todesstoß, das schwöre ich dir bei unserem Herrn Jesus Christus, dem Propheten Mohammed und dem Gott Sitomba.«
    Vom Gott Sitomba hatte Cornelius noch nie etwas gehört, aber Iwan Artamonowitschs Hand nahm er noch einmal in Augenschein, diesmal noch aufmerksamer. Die Hand war sehnig, kräftig, imposant.
    »Aber du wirst auch gar nicht stehlen wollen«, sagte der Mohr schon wohlwollender. »Du bist clever genug, ich beobachte dich schon lange. Du wirst schon verstehen, was für dich von Vorteil ist. Vierzig Rubel Sold im Monat, Verpflegung vom Bojaren, komplette Bekleidung und Prämien für den Dienst. Halte dich an Matfejew, Hauptmann. Da kannst du dich nicht vertun.«
    An dieser Stelle lächelte von Dorns neuer Vorgesetzter, und wie sich herausstellte, waren seine Zähne noch weißer als die von Cornelius. Ob er fragen sollte, womit er sie putzte? Bestimmt mit Pulver, das man aus Perlen gewann. Auf den von der Spucke feuchten Schneidezähnen Iwan Artamonowitschs funkelte ein zauberhafter Strahl der Herbstsonne, und Hauptmann von Dorn verstand auf einmal: Das war gar kein Mohr, sondern ein zur Vergeltung für alle Beleidigungen und Lügen vom himmlischen Herrn gesandter Engel mit der frohen Botschaft.

SIEBTES KAPITEL
    Igel im Nebel
    »So, so«, resümierte Altyn Mamajewa, nachdem sie die Geschichte zu Ende gehört hatte, die Nicholas in der letzten Stunde schon zum zweiten Mal hatte erzählen müssen (wovon sein Bericht um keinen Deut glaubwürdiger wurde), »also eins von beidem: Entweder du ticktst nicht richtig, oder du willst mich verarschen.«
    »Ich soll Sie verarschen wollen?«, empörte sich Fandorin und machte ein beleidigtes Gesicht. »Wollen Sie damit sagen, ich rede Stuss?«
    »Na, das ist doch wohl klar wie Kloßbrühe!«, antwortete Altyn erbost. »Du tust, als ob du plemplem wärst.«
    »Nein, ich ticke wirklich manchmal nicht ganz richtig«, sagte Nicholas. »Wirklich, das ist so klar wie Kloßbrühe!«
    Der Magister saß in der Küche eines winzig kleinen Studios, wohin die wunderbare Retterin ihn direkt von der Uferstraße gebracht hatte. Als er sie im Auto »Wohin bringen Sie mich?«, gefragt hatte, hatte sie die unverständliche Antwort gegeben: »Nach Beskudniki«. Nach einigem Schweigen hatte sie hinzugefügt: »Du musst untertauchen. Sonst reißen sie dir die Rübe ab, und ich erfahre nicht, was für ein komischer Kauz du eigentlich bist. Pack jetzt sofort aus, sonst bringe ich dich zurück zur Uferstraße.«
    Und Nicholas packte aus. Erstens, weil er der aus heiterem Himmel

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