Die Blutmafia
Rio lächelte unentwegt weiter.
»Na gut«, kam es nach einer Pause. »Vielleicht würde Herr Engel so entscheiden.«
»Müßte er eigentlich, Herr Dr. Hochstett. Vor allem, nachdem zu dieser wirklich schrecklichen Reissner-Geschichte praktisch am selben Wochenende auch noch der Mord an Ihrem Hamburger Mitarbeiter hinzugekommen ist.«
»Was soll denn das, Himmelherrgott? Nach dieser Äußerung muß ich wirklich an Ihrem Verstand zweifeln. Was hat denn dieser unglückselige Vorfall …«
»… mit Bio-Plasma zu tun?«
Rios sadistische Ader war wachgekitzelt: Laß ihn zappeln. Wenn er es schon mit Arroganz versucht, dann soll er auch schwitzen. »Vielleicht kann, nein, muß man hier von einer Verkettung unglückseliger Umstände reden. Unglückselig für das Image Ihrer Firma … Aber sehen Sie, und das ist nun mal Ihr Pech, ob Sie nun Polizeibeamte oder Reporter vor sich haben: Sie wollen ihren Fall. Sie suchen nach Strukturen, die sie verknüpfen können. Das liegt in der Natur der Sache. Polizisten und Reporter haben eines gemeinsam: Sie glauben so ungern an Zufälle! Zufälle verderben ihnen das Geschäft, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich verstehe kein Wort.« Die Stimme war trocken wie Papier. Und sehr, sehr leise. Die Stimme war wie ein Rascheln.
»Habe ich mir gedacht«, grinste Rio. »Soll ich es Ihnen erklären?«
»Sie meinen, daß der Tod dieses Mitarbeiters, eines Teilzeit-Mitarbeiters übrigens, in irgendeine Verbindung mit den Vorgängen zu setzen wäre, die … die …«
Es schien ihn wirklich Mühe zu machen, weiterzusprechen. Und es machte ihm ganz offensichtlich Mühe, seine Gesichtsmuskeln zu beherrschen.
»… die das Auftauchen der Polizei und meinen Besuch Ihrer Firma veranlaßt haben. So wollten Sie doch sagen?«
»Dieser Herr Cenitza hatte in Hamburg Routinearbeiten zu erledigen. Und wie ich schon sagte: Das tat er nur stundenweise.«
»Blut abzapfen. Eine Art Zapfstellen-Betreuer.«
»Ich finde Ihren Ton nicht sehr passend, Herr Martin.«
»Mir ist auch nicht nach passenden Tönen zumute«, konterte Rio und fixierte sein Gegenüber. Hochstett brachte es nicht fertig, seinen Blick zu erwidern. »Wirklich nicht. Aber bitte, wenn Sie mir jetzt die Firma zeigen wollten … Ich habe keine Ahnung von solchen Betrieben. Ich weiß nicht, wie man aus Blut Medikamente gewinnen kann. Ihre Firma scheint, wenigstens von außen betrachtet, sehr modern zu sein.«
»Sie meinen unsere ›Klitsche‹?«
»Ach«, grinste Rio, »nehmen Sie das doch nicht so ernst! Man sollte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen …«
»Es war wirklich keine Klitsche …«
Langsam und mit viel Konzentration zog Rio das Fischmesser durch das weiße, duftende Fleisch seiner Seezunge à la Meunière. Er trennte die beiden Filetstücke, schob sie an den Tellerrand und betrachtete zufrieden den Salat: Spargel, Avocadoscheiben, sogar Nüsse waren darübergestreut.
»Das Wort schon brachte ihn auf die Palme. Und irgendwie kann man das ja auch verstehen. Wenn man da durchgeht – diese Zentrifugen, mit denen sie das Blutplasma von den anderen Blutbestandteilen trennen, die Steuerelektronik, so was läuft ja alles automatisch, weißt du –, wenn du das siehst, Vera, überall Kacheln, Glas, Chrom, Geräte, dann bist du schon ein bißchen beeindruckt. Trotzdem …«
»Ja? Was denn?«
Vera zupfte ein Blatt Salat zurecht. Aber sie ließ die Gabel liegen. Er wollte etwas loswerden, und da störte es ihn, wenn man dabei kaute.
»Trotzdem, trotz dieses ganzen High-Tech-Hokuspokus wurde mir gleich klar, daß da was nicht in Ordnung ist.«
»Und wie wurde dir das klar?«
Er tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Nase. »Hier!«
Schweigend starrte er sie an, lange.
»Nun iß schon weiter, Rio. Deine Seezunge wird kalt.«
Er schien es gar nicht zu hören. »Das alles war irgendwie recht sonderbar. Dieser Hochstett, der um mich herumzappelte und auf mich einredete, all diese weißen Figuren in ihren Overalls. Und die ganze allgemeine Nervosität. An den Kühlschränken, in denen sie ihre Blutreserven aufbewahrten, klebten überall die Amtssiegel. Die Bullen müssen ihnen ganz schön zugesetzt haben. Außerdem …«
Er brach ab, spießte ein Stück Fisch auf, ließ es liegen und schwieg wieder.
Sie saßen auf der Terrasse des Parkhotels. Zwei Kellner eilten zwischen den Tischen hin und her. Es war angenehm, hier zu sitzen. Von den Hängen strich ein kühler Wind, auf dem grünen Rasen dort drüben, zwischen
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