Die Bourne Intrige
rechts blickte, wartete er wahrscheinlich darauf, dass der Lincoln kam und ihn abholte. Während sie weiterkämpfte, §sah sie, wie er sein Handy herauszog. Jeden Moment würde er die Nummer seines Kollegen eintippen, der sich nicht melden würde, worauf der Mann zu Fuß weggehen würde. Mit ihm würde ihre Festplatte verschwinden und damit ihre einzige Chance, in Noahs Wi-Fi-Netzwerk einzudringen.
Der Mann in Schwarz hob das Telefon ans Ohr, und sie zwang sich, ruhig durchzuatmen, damit ihr Körper geschmeidiger wurde. Jetzt! Sie war frei! Nun drehte sie die Hüfte und zwängte sich diesmal mit Erfolg durch die Öffnung. Sie hing mit den Händen an dem Zierstein und hörte die leise Stimme des Mannes, die zusammen mit dem Rauch seiner Zigarette zu ihr heraufgetragen wurde. Ihr war klar, dass er gleich weg sein würde, und so ließ sie einfach los. Sie fiel und landete genau auf ihm.
Als er zu Boden ging, flog sein Handy durch die Luft und zerschellte ein paar Meter weiter. Sein Kopf schlug mit einem hässlichen dumpfen Knall auf dem Kopfsteinpflaster auf.
Benommen kroch Moira über den Toten hinweg. Dabei fand sie sein Handy. Sie starrte es einen Moment lang verblüfft an. Wenn das sein Handy war – was hatte sie dann durch die Luft fliegen sehen?
Sie rappelte sich auf und wankte zu der Stelle, wo die Bruchstücke aus Kunststoff und Metall auf den Pflastersteinen lagen. Auf einem rechteckigen Stück sah sie einen dicken roten Blitz von der rechten oberen Ecke nach links unten, das Symbol, mit dem Black River seine spezialangefertigte Hardware kennzeichnete.
»Oh Gott«, stöhnte sie. »Nein.«
Sie sank auf die Knie und sammelte die Einzelteile ihrer Festplatte ein, die völlig auseinandergebrochen war – §unbrauchbar, die Daten unrettbar verloren.
Vierundzwanzig
Während Bourne und Tracy in der Lounge für Erste-Klasse-Reisende in Madrid saßen und auf ihren Flug mit der Egyptair warteten, entschuldigte er sich kurz und ging zur Herrentoilette hinaus. Er kam an den Regalen mit Zeitungen aus aller Welt und in allen möglichen Sprachen vorbei, deren Schlagzeilen sich jedoch ziemlich ähnlich waren: »Verhandlungen abgebrochen«, »Am Abgrund«, »Letzte diplomatische Hoffnung zerschlagen«, und überall las man auch die Worte »Iran« und »Krieg«.
Als er für Tracy außer Sichtweite war, zog er sein Handy heraus und wählte Boris’ Nummer – doch der russische Geheimdienstmann hatte offensichtlich nicht einmal sein Telefon eingeschaltet. Er überlegte einen Augenblick und ging dann zu den Fenstern hinüber. Hier, etwas abseits der Menge, scrollte er durch das Adressbuch seines Handys, bis er eine andere Moskauer Nummer fand.
»Wer zum Teufel ist da?«, meldete sich eine mürrische alte Stimme.
»Iwan, Iwan Wolkin«, sagte er. »Hier ist Jason Bourne, Boris’ Freund.«
»Ich weiß schon, wessen Freund Sie sind. Ich bin vielleicht alt, aber nicht senil. Außerdem haben Sie hier vor drei Monaten einen solchen Wirbel verursacht, dass man Sie nicht einmal vergessen könnte, wenn man Alzheimer hätte.«
»Ich versuche Boris zu erreichen.«
»Na und?«, versetzte Wolkin gereizt. »Warum rufen Sie ihn dann nicht einfach an, statt mich hier zu stören?«
»Ich würde Sie doch nicht anrufen, wenn er rangehen würde.«
»Ah, dann haben Sie also seine Satellitentelefonnummer nicht.«
Das bedeutete wohl, dass Boris in Afrika war, dachte Bourne. »Ist er wieder in Timbuktu?«, fragte er.
»Timbuktu?«, erwiderte Wolkin. »Wie kommen Sie darauf, dass Boris in Timbuktu war?«
»Boris hat’s mir gesagt.«
»Ha! Nein, nein, nein. Nicht Timbuktu. Khartum.«
Bourne lehnte sich gegen das Glasfenster, das kühl war von der Klimaanlage. Er hatte ein Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Warum führten alle Fäden des Spinnennetzes in diese Stadt?
»Was macht Boris in Khartum?«
»Etwas, von dem er nicht will, dass Sie, sein guter Freund, es wissen.« Wolkin lachte heiser. »So sieht’s jedenfalls aus.«
Bourne versuchte es mit einem Schuss ins Blaue. »Aber Sie wissen es.«
»Ich? Mein lieber Bourne, ich hab mich längst aus der Welt der Mafia zurückgezogen. Das müssten Sie doch noch wissen, oder haben Sie ein schlechteres Gedächtnis als ich?«
Irgendetwas an diesem Gespräch stimmte nicht, dachte Bourne, und nach wenigen Augenblicken wusste er, was es war. Bei all seinen Kontakten musste Wolkin doch von Bournes »Tod« gehört haben. Und doch klang er kein bisschen
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