Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
er von ihrem Reichtum erzählt hatte, war weniger ein Verrat an ihr gewesen als vielmehr ein kluger Schachzug, da er auf diese Weise die Geldgier der Männer angestachelt hatte, die wohl kaum die Gelegenheit auslassen würden, zusätzlich Lösegeld für ihre Gefangene herauszupressen. Vermutlich war es eher dieser Umstand gewesen als ihr würdeloses Flehen, der die Piraten bewogen hatte, sie letzten Endes doch nicht über Bord zu stoßen.
Sie konnte, so sehr sie sich auch bemühte, nicht ausmachen, was oben an Deck vor sich ging, und widmete sich schließlich dem Versuch, ihre gebundenen Hände zu befreien. Nach einigem Hin und Her gelang es ihr endlich, das grobe Seil, das scharf in ihre Handgelenke geschnitten hatte, zu lösen, und sie warf den Strick wütend zu Boden. Das Messer, das ihr der Pirat zuvor aus der Hand gerungen hatte, lag immer noch dort, wo er es hingeworfen hatte. Als sie vor der Kabine plötzlich Schritte hörte, stieß sie es schnell mit dem Fuß unter eine Bank.
Gleich darauf öffnete sich die Tür, und der Captain trat ein.
Vanessa wich hinter den breiten Tisch zurück, auf dem sich neben einigen Landkarten auch eine halbleere Rumflasche befand.
»Diese Schüchternheit wirst du dir abgewöhnen müssen«, sagte der Pirat mit einem Blick, der sie auszuziehen schien. »Obwohl ich ein wenig Widerstand meist durchaus reizvoll finde, beginnt er mich nach einiger Zeit zu langweilen.«
»Ich hoffe, mich zu diesem Zeitpunkt schon im Hause meines Onkels zu befinden«, erwiderte Vanessa scharf. Das Wissen um Martins Anwesenheit auf dem Schiff gab ihr Kraft, und sie hatte weitaus weniger Angst als zuvor, als ihre Knie so gezittert hatten, dass sie gedacht hatte, sie müssten jeden Moment nachgeben.
Der Captain gab keine Antwort, sondern ging an ihr vorbei und stieß eine schmale Tür auf, die von seiner Kajüte in einen dunklen Nebenraum führte. Er blieb daneben stehen und verbeugte sich mit spöttischer Galanterie. »Euer Gemach, Mylady, ich hoffe, es ist zu Eurer Zufriedenheit. Alles andere wird sich wohl sehr bald finden.«
Vanessa zögerte kurz, bevor sie an ihm vorbei durch die Türöffnung trat, wobei sie darauf bedacht war, einen möglichst großen Abstand zu ihm zu wahren und ihn in dem schmalen Durchgang nicht zu streifen. »Mach es dir bequem«, sagte er höhnisch. »Schließlich wirst du eine längere Zeit hier drin verbringen.« Zu ihrer Erleichterung schloss er die Tür hinter ihr, und Vanessa wartete einen Moment, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Nur durch einige Ritzen an der Wand drang etwas Licht hinein und ermöglichte es ihr, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Sie bemerkte an der linken Seite eine Art Pritsche, auf der eine Decke lag. Fast unmittelbar daneben stand ein roh gezimmerter Stuhl und an der gegenüberliegenden Wand eine Truhe, direkt unter den schmalen Lichtstreifen, die von draußen hereindrangen. Vanessa trat näher und sah zu ihrer größten Zufriedenheit, dass es ihre eigene Reisetruhe war, die die Piraten offensichtlich vom anderen Schiff herübertransportiert hatten. Sie hob den schweren Deckel an und blickte hinein. Bis auf einige Kleider und etwas Wäsche war sie leer. Sie klappte den Deckel wieder zu und kniete sich darauf, um zu dem schwachen Lichtschein zu gelangen. Vanessa stellte fest, dass es sich um eine Luke handelte, die mit einem festen Fensterladen verschlossen war, vor dem ein Riegel steckte. Mit einiger Mühe schaffte sie es, diesen beiseite zu schieben und den Laden aufzustoßen. Von draußen strömten helles Tageslicht und der Geruch des Meeres herein sowie die Stimmen der Männer an Deck. Die Öffnung war winzig, aber sie zeigte ein bisschen vom Horizont, der sich endlos erstreckte. Erleichtert atmete Vanessa auf. Nun, da sie wenigstens dieses kleine Fensterchen zur Freiheit hatte, fühlte sie sich gleich viel wohler als zuvor, als sie in diese dunkle Kammer gekommen war und gemeint hatte, ein Verlies zu betreten – dunkel, übelriechend und feucht.
Wenig später ging die Tür wieder auf, und die Gestalt des Captains füllte den Rahmen. Allein seine Stimme war Vanessa schon zuwider. »Bist du mit dem Quartier zufrieden? Ich hoffe, es entspricht deinen gehobenen Ansprüchen, Mylady.«
»Wann werdet Ihr mich auf Jamaika absetzen?«, fragte sie ruhig.
Er lachte spöttisch auf. »So in Eile? Jamaika ist noch viele Tagesreisen von hier entfernt, meine Schöne. Du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen. Aber«, fügte er mit
Weitere Kostenlose Bücher