Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
dessen Frage zu besinnen, die er wie durch einen Schleier gehört und die kaum zu ihm durchgedrungen war.
»Sollen wir den Grog gleich ausschenken lassen, Sir, oder wünschen Sie, dass die doppelte Ration beim Abendessen verteilt wird?«
Grog? Was interessierte ihn jetzt der Grog? Er hatte soeben die wichtigste und umwerfendste Entdeckung seines Lebens gemacht, und Finnegan, dieser Barbar, belästigte ihn mit Grog!
Sein Freund und Erster Maat musste Zweifel an seinem momentanen Geisteszustand haben, denn er wiederholte seine Frage nochmals, diesmal überaus langsam und deutlich.
»Ich bin ja nicht taub«, fuhr er ihn ärgerlich an. »Lassen Sie den Grog gleich ausschenken.«
»Ja, Sir.« Finnegan wandte sich mit einem undurchdringlichen Gesichtsausdruck ab, und Robert blickte ihm misstrauisch nach. Hatte scharfe Augen, dieser Finnegan. Er konnte nur hoffen, dass er nicht allzu offen den Eindruck eines verliebten Mondkalbs gemacht und sich nicht nur vor seinem Ersten Maat, sondern auch vor jedem anderen lächerlich gemacht hatte, der ihn in diesem unbewachten Moment gesehen hatte.
Er warf einen raschen Blick zur Leiter. Sie war bereits verschwunden, aber diesmal war er nicht im Geringsten versucht, ihr nachzugehen. Er hatte jetzt nicht die Kraft, ihr gegenüberzutreten. Zuerst musste er allein sein, um sich über seine Gefühle klar zu werden – ohne Gefahr, in einer der Kajüten über sie zu stolpern.
Er blieb den ganzen Tag an Deck und ließ sich von Darnberry nur einen kleinen Imbiss bringen – den er mehr oder weniger gedankenlos hinunterwürgte, obwohl er sonst einen kräftigen Appetit hatte – und versuchte, nach außen hin den Eindruck jenes unverwundbaren, unbeugsamen und durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Mannes zu machen, den die Mannschaft als Captain erwartete.
Aber in Wahrheit fühlte er sich verwirrt und wehrlos angesichts dieses unerwarteten und in seiner Heftigkeit unbekannten Gefühls und wusste nicht, wie er sich dieser wohlgeformten Verführung, die dort unten auf ihn lauerte, gegenüber verhalten sollte.
»Der Wind hat tatsächlich gedreht, Sir«, sagte sein Erster Maat, als er einige Stunden später neben ihn trat. »Vermutlich kommen wir bereits am Nachmittag an.«
Robert war in Gedanken schon wieder unter Deck. »Ich habe nicht die geringste Lust, von Bord zu gehen und die Nacht dort zu verbringen«, sagte er unwillig. »Sobald wir die Waffen abgeliefert haben, fahren wir weiter nach Martinique, um das Schiff gründlich zu überholen. Der dortige Gouverneur ist zweifellos bereit, uns in dieser Hinsicht zu unterstützen. Dann geht es weiter nach St. Maarten, Finn. Ramirez hat mir gesagt, dass dort vereinzelt englische Kriegsschiffe kreuzen, die auf der Jagd nach unseren Kapern sind. Es wäre eine nette Gelegenheit, einige Prisen zu nehmen, bevor wir weiter nach Nordamerika segeln. Unsere Flotte könnte einige gute Kanonen und Musketen vertragen. Vielleicht bringen wir ja sogar ein hübsches Schiff mit.«
Er war nur halb bei der Sache, als er sprach. Nicht einmal die Aussicht auf eine schöne Prise konnte ihn von seiner verführerischen Passagierin ablenken. So weit war es also schon mit ihm gekommen …
Finnegan grinste ahnungslos. »Ich sehe schon, wir haben große Pläne, Sir.«
Robert nickte nur und blieb weiterhin standhaft an Deck, obwohl es ihn mit fast übermenschlicher Macht nach unten zog, und legte sich, während er an der Reling stand und durch das Fernrohr die Insel beobachtete, eine Strategie zurecht, wie er dieser Frau in Zukunft begegnen konnte, ohne sofort einen vollkommenen Narren aus sich zu machen.
Erst am späten Nachmittag, kurz bevor sie in den Hafen einliefen, ging er hinunter. Sie saß in ihrer Kabine, hatte die Tür zur Achterkajüte jedoch offen gelassen und las in einem Buch. Das überraschte ihn. Er hatte bisher noch keinen Augenblick darüber nachgedacht, welche anderen Fähigkeiten sie sonst noch haben könnte außer einem ausgeprägten Widerspruchsgeist und einem solchen Liebreiz, der einem Mann den Kopf unheilbar verdrehen konnte.
»Was siehst du dir denn da an?«, fragte er ein wenig unsicher.
Sie zeigte ihm das Buch. »Ich habe es aus Eurer Kajüte geholt, Monsieur le Capitaine, und ich hoffe, Ihr nehmt es mir nicht übel.«
Robert las den Titel. »Das ist ja ein Buch über Navigation!«, sagte er dann erstaunt. »Aber es hat doch kaum Bilder und ist sicher zu schwierig für dich. Warum hast du nicht etwas anderes genommen?«
»Es
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