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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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gratuliere!«, rief Oscar verblüfft. »Das wusste ich nicht.«
    »Nein, wir haben uns nie über solche Dinge unterhalten. Ich hatte den Eindruck, dass du ungern über Privates sprichst. Wirst du sie wiedersehen?«
    »Ich hoffe es. In einer Woche fahre ich dorthin, um Elfenbeingeschäfte mit Königin Mukawanga zu tätigen. Übrigens sollten wir darüber sprechen. Ich glaube, die Königin verfügt über ungeahnte Ressourcen …«
    Sehr viel weiter kamen die Freunde nicht in ihrer Unterhaltung, weil die Kapelle zu spielen begann, ein elegantes Streichquartett in Frack mit einem Pianisten, der mit der Erfolgsnummer schlechthin, der »Kleinen Nachtmusik«, einleitete. Kurz darauf erschien der sichtlich angetrunkene Direktor des neuen Elektrizitätswerks der Stadt, Herr Schlickeisen. Er klopfte Oscar auf die Schulter, zog sich einen Stuhl heran, nahm unaufgefordert Platz und bestellte sich eine Maß Bier. Er begann das Gespräch mit einer Klage über seinen Spitznamen »Kurzschluss-Paul«, den er äußerst ungerecht fand. Alle technischen Einrichtungen litten an Kinderkrankheiten, jedes System benötigte etwas Zeit, bis es angepasst sei, nicht wahr? Das müsse doch gerade Herr Lauritzen wissen?
    Der steigende Geräuschpegel erlaubte keine eingehende Unterhaltung über die Schwierigkeiten der Technik. Und wenig später nahm Hans Christian Witzenhausen, den Oscar flüchtig kannte, mit derselben Selbstverständlichkeit wie Schlickeisen an ihrem Tisch Platz.
    Witzenhausen und Oscar waren auf demselben Dampfer aus Genua angereist, hatten sich in der Hitze auf dem Roten Meer einen Rausch angetrunken und waren dann beide zum ersten Mal in Dar an Land gegangen. Hans Christian Witzenhausen, der direkt von der Deutschen Kolonialschule gekommen war, hatte tropische Landwirtschaft studiert und wollte in Afrika mit einer Kokosplantage bei Bagamoyo sein Glück versuchen. Die Arbeit war während dieser Jahre teils gut, teils schlecht gelaufen, und er erwog, sich auf die Großwildjagd zu verlegen. Er hatte gerade einen Elefanten geschossen, der die Maisfelder der Kokosplantage verwüstet hatte, einen schönen Bullen mit sechzig Pfund schweren
Stoßzähnen. Leider hatte der Plantagenbesitzer diese Extraeinnahme für sich vereinnahmt. Trotzdem hatte ihn das auf eine Idee gebracht. Möglicherweise noch berauscht von seiner Heldentat, fragte er den Herrn Eisenbahner, ob dieser schon mal einen Elefanten geschossen hätte.
    »Ja, etwa hundert«, antwortete Oscar gelassen und gab dem Kellner ein Zeichen, die Rechnung zu bringen. Er schämte sich vor Mohamadali wegen dieser forschen Deutschen. Es herrschte die nicht unsympathische Sitte in den Kolonien, dass sie alle gewissermaßen gleichberechtigte Pioniere waren, was zur Folge hatte, dass im Laufe eines Abends jeder bei jedem Platz nehmen konnte. Aber jetzt sehnte sich Oscar nach Abgeschiedenheit und Ruhe und wünschte seinen geehrten deutschen Pionierkollegen einen guten Abend. Mohamadali kam ihm zuvor, wünschte allen eine gute Nacht und ging, noch ehe Oscar die Rechnung beglichen hatte.
    Daraufhin schlugen die anderen am Tisch wie aus einem Munde vor, man solle noch mehr Bier bestellen, bevor man den Abend beendete. Witzenhausen erbot sich zuvorkommend, die erste Runde zu übernehmen. Oscar sah ein, dass er so schnell nicht wegkommen würde.
    Die nächsten Runden übernahm er, und es wurde nicht nur zu viel Bier konsumiert, sondern es wurden auch zu viele Jagdgeschichten zum Besten gegeben. Die meisten erzählte, mit verblüffender Sachkenntnis, der Landwirtschaftsaspirant Witzenhausen.
    Oscar hatte einen Kater, als er am nächsten Morgen mit dem Zug zurückfuhr. Außerdem bereute er es, Witzenhausen Geld geliehen zu haben, damit sich dieser als Jäger etablieren konnte.

XIII
LAURITZ
    Kieler Woche, Sommer 1905

    Der Gebirgswind kühlte sein überhitztes Gemüt. Während der Rückreise von Kiel hatten sich seine Gedanken wie ein Karussell im Kreis gedreht. Bei jedem Ruckeln des Zuges auf seinem Weg durch Jütland war es ihm vorgekommen, als hüpfte eine Grammofonnadel eine Rille weiter auf der Platte und verwandelte alles in Gejaule. Vieles war unangenehm und unerquicklich gewesen, die Begegnung mit Ingeborg allerdings himmlisch, die eigentliche Regatta geradezu komisch, und sein Kopf war außerstande gewesen, all die Eindrücke zu verarbeiten.
    Bis jetzt, hinter Voss, in seinen Arbeitskleidern und den verschlissenen Wanderstiefeln auf dem Weg zurück. Er spürte den kühlen Sommerwind auf

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