Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
fort: »Wir haben daher vereinbart, dass ich bei Ihnen um ihre Hand anhalten soll.«
»Aber Sie haben hoffentlich nicht vor, gemeinsam mit ihr auf einen Gletscher zu ziehen und in einer Gebirgshütte zu wohnen?«, fragte der Baron ohne Ironie, ohne Scherzhaftigkeit, ohne Aggression, als ginge es ihm nur um die Information.
»Nein, das haben wir nicht«, antwortete Lauritz. »Erst müssen meine Brüder und ich unsere Arbeit bei der Eisenbahn zwischen Bergen und Kristiania ableisten.«
Der Baron antwortete nicht. Er rauchte, schaute an die Decke und schien nachzudenken.
»Wenn eine Frau unter ihrem Stand heiraten will«, begann er nachdenklich nach einem quälend langen Schweigen, »gibt es nur zwei Gründe. Der eine ist leicht zu verstehen. Es geht um Geld. Jemand wie ich opfert seine Tochter einem reichen Viehhändler, damit der Familie Kapital zufließt. Das ist rational, und viele Töchter haben ein solches Joch zum Wohle der Familie auf sich genommen.
Das ist hier allerdings nicht der Fall. Der zweite Grund für eine Mesalliance ist das, was wir Liebe nennen. Ich bin in diesem Punkt tatsächlich nicht ohne jedes Verständnis, schließlich war ich auch einmal jung. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass Ingeborgs Liebe in Schneestürmen auf einem Gletscher in einer kleinen Hütte oder ähnlich einfachen Wohnstätte nicht lange überdauern würde. Sie würden sowohl Ingeborg als auch sich selbst ins Unglück stürzen.«
»Deswegen wollen wir ja warten, bis ich meine Pflicht erfüllt habe«, antwortete Lauritz.
»Aber dann können Sie ja in vier oder fünf Jahren Ihren Antrag noch einmal vortragen, Herr Diplomingenieur!«, rief der Baron. Seine Überraschung wirkte gespielt.
»Wir würden uns aber gerne jetzt schon verloben«, entgegnete Lauritz. »Wir sehen ein, dass es schwer sein wird, so lange zu warten, aber wir sind beide zu diesem Opfer bereit.«
Der Baron trank langsam und bedächtig seinen Cognac und legte seine Zigarre beiseite. Lauritz blieb nichts anderes übrig, als zu warten.
»Ich habe eine Bedingung«, sagte der Baron schließlich. »Sie müssen Ingeborg ein anständiges Leben bieten können. Wenn Sie sich für eine der vielen Stellungen in der deutschen Wirtschaft entscheiden, die Ihnen durch meine Verbindungen offenstehen, erfüllen Sie diese Bedingung. Lassen Sie Ihre Brüder zu diesem Gletscher zurückkehren. Bleiben Sie in Deutschland. Sie sprechen die Sprache wie einer von uns, Sie sind eine Zier für die germanische Rasse. In Zeiten dramatischer technischer Fortschritte könnten Sie hier zweifellos Ihr Glück machen. Sprechen Sie mit Ihren
Brüdern! Sie müssen doch Verständnis für Ihre Notlage aufbringen. Ich bin ein moderner Mann, glauben Sie mir. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, dass Sie ein Mann aus dem niedrigeren Stand sind. Im Gegenteil, es fasziniert mich, dass eine solche Begabung aus der Volkstiefe aufsteigen kann. Aber es gibt eine Sache, die bei der Frage, die wir gerade diskutieren, absoluten Vorrang hat: das Glück meiner Tochter. Darüber sollten wir uns einig sein. Sprechen Sie mit Ihren Brüdern. Wenn zwei Eisenbahningenieure zurückkehren, sollte das doch wohl genügen?«
»Sie antworten also nicht mit Nein, Herr Baron?«
»Nein, das tue ich nicht. Aber auch nicht mit Ja. Auf dem Schreibtisch Ihres Zimmers werden Sie, wenn Sie sich zurückziehen, Angebote von einigen der angesehensten deutschen Firmen finden. Darf ich Ihnen noch einen Cognac anbieten?«
Der Zug näherte sich langsam Dresden, und Lauritz wurde immer ungeduldiger. Er hatte den Verdacht, dass die Reise mit Pferd und Wagen schneller gegangen wäre. Er würde noch genügend Zeit zu einem Abschiedsessen bei Frau Schultze haben, darüber brauchte er sich keine Gedanken zu machen. Er hätte jedoch gerne das Gespräch mit Oscar und Sverre hinter sich gebracht, bevor man zu Tisch ging.
Es war ihm nicht leichtgefallen, einen Beschluss zu fassen, weil so viele starke Gründe dagegensprachen.
Die gute Absicht hatte viel Geld investiert, er wollte lieber nicht ausrechnen, wie viel, um seine Brüder und ihn zu Eisenbahningenieuren und Brückenkonstrukteuren zu machen. Das Ziel dieser Investition war, den Bau der Bergenbahn
sicherzustellen, die sich so viele Bergener sehnlichst wünschten.
Sie waren moralisch verpflichtet, die Gegenleistung zu erbringen. Man hatte ihnen vor zwei Tagen eine fürstliche Prämie zukommen lassen, die als Kompensation für den mageren Lohn, der sie auf der Hardangervidda
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