Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
wie so ein verdammter englischer Offizier mit seinem lächerlichen weißen Helm, der schon aus weiter Ferne zu erkennen war, sich seinem besten Freund mit einem Revolver genähert hatte.
Aber da war noch etwas anderes mit im Spiel gewesen, was sich nicht erklären ließ. Oder vielleicht doch. Ein Sinneswandel. Hass. Er hasste es, Brücken in die Luft sprengen zu müssen, die er selbst gebaut hatte, weshalb er fachkundig zu beurteilen wusste, wo die Sprengladungen angebracht werden mussten, um maximale Sprengkraft zu entfalten. Alles, was er errichtet hatte, hatte er auch wieder zerstört.
Und an alledem waren diese verdammten, unmenschlich arroganten Engländer schuld.
Werner fragte ihn, warum er in den Kopf, sozusagen mitten in den Tropenhelm geschossen habe, ob das auch mit seinem soeben erwachten oder genauer gesagt explodierten Hass zu tun habe.
Oscar verneinte. Ein Kopfschuss machte ein Tier sofort bewegungsunfähig. Es fiel zu Boden, ohne vorher seine Umgebung alarmieren zu können. Einzig die Bewegung des langen Grases, in dem die Hinterläufe zuckten, war zu erkennen. Das waren also rein praktische Erwägungen gewesen.
Sie tranken ihre Whiskyration auf. Das konnten sie sich erlauben, da der Krieg mindestens einen Monat lang innehalten würde.
Am nächsten Tag besuchte er den inzwischen sauberen und frisch rasierten Kadimba. Sie umarmten einander wortlos. Oscar zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett.
Kadimba erzählte langsam und leise, er war erschöpft und, wie Dr. Meixner festgestellt hatte, unterernährt.
Als sich die deutschen Truppen nach Süden zurückgezogen hatten, waren die Engländer in die nördlichen Teile des Landes eingefallen und hatten Träger zwangsrekrutiert. Alles musste in diesem Krieg von schwarzen Sklaven getragen werden. Er hatte nicht gesagt, dass er lieber den Askaris zugeteilt worden wäre, wenn er schon Sklave werden musste, denn dann hätte er enthüllt, dass er schießen konnte. Das hätte sie sicher zu der Frage veranlasst, wo er das gelernt hätte, also im Dienste der Deutschen. Es war
ihm unklug erschienen, dies preiszugeben. Also hatte er Maschinengewehre und den Schnaps für die englischen Offiziere, Lebensmittel und Decken durch das ganze Land getragen.
Von Sold war nie die Rede gewesen. Träger, die in Deutsch-Ostafrika eingesammelt worden waren, galten als Kriegsgefangene. Wer nicht weiterkonnte, den überließ man den Hyänen oder der erhielt, wie jetzt zuletzt, den Fangschuss von jungen englischen Offizieren, die sich sonst immer versteckten, wenn es knallte.
Kadimba hatte bereits aufgegeben und war in Gedanken zu den Geistern seiner Vorväter gereist, als der junge Mann mit dem Revolver auf ihn zugekommen war. Aber als er das Schwein hatte sterben sehen und den Knall eines 10,2-Millimeter-Mausergewehrs gehört hatte, war ihm sofort klar, dass es sich nur um Bwana Oscar handeln konnte. Und so war es dann auch gewesen.
Obwohl es ihn mit großer Freude erfüllte, dass er jetzt gemeinsam mit Bwana Oscar Engländer töten konnte, hing eine große Trauer wie eine schwarze Wolke über ihm, die alles andere überdeckte. Es fiel ihm nicht leicht, zu erklären, warum. Aber es war unumgänglich.
Als sich die Deutschen in den Süden zurückgezogen hatten, waren die verdammten Belgier von Westen aus Urundi und Ruanda vorgerückt. Die englische Einheit, der Kadimba angehört hatte, hatte sich mit der belgischen Truppe vor der Stadt der Barundi vereinigt. Die Belgier hatten die Stadt niedergebrannt, alle überlebenden Männer als Träger gefangen genommen und alle Frauen und Kinder ermordet. Einige Frauen hatten sie natürlich vorher noch vergewaltigt, wegen des besonderen Rufes der Barundi, was ihre
Liebeskünste betraf. Aber zuletzt hatten sie alle getötet und das ganze Volk der Barundi ausgerottet. Die Tage der gefangenen Träger waren auch gezählt gewesen. Die Belgier hatten kongolesische Askaris in ihren Diensten, die Kannibalen waren, und hatten gegen Ende einfach weggeschaut, wenn diese von ihren Gelüsten gepackt wurden.
Oscar kämpfte um Selbstbeherrschung, aber schließlich zerbarst sie, sein innerer Schutzschild brach zusammen. Er fiel neben Kadimbas Krankenlager zu Boden, schrie und fuchtelte wild mit den Armen, um die schrecklichen Bilder von Aisha Nakondi und den Kindern in den Händen der widerwärtigen Belgier zu vertreiben. Krankenpfleger packten ihn, und ein Arzt verabreichte ihm eine Morphiumspritze.
XXIII
INGEBORG
Bergen,
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