Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Osterøya und fehlerfreies Deutsch, vermutlich ein perfektes Sächsisch. Auf diese Weise hatte er
mühelos eine Weltsprache erlernt, und es erleichterte sie, dass sie sich auf ihr Gespür statt auf die Ideen moderner Pädagogen, dass die kindlichen Gehirne noch nicht entwickelt genug seien, um zwei Sprachen gleichzeitig zu erlernen, verlassen hatte.
Lauritz hatte nicht vorgeschlagen, nach Deutschland zu ziehen. Erst jetzt, als die Spielstunde der Kinder beendet war, fiel ihr das auf.
Berlin war die wichtigste Stadt der Welt, aber er hatte von Stockholm gesprochen, einem fast ebenso unbedeutenden Kaff wie Bergen. Warum das? Glaubte er insgeheim, dass Deutschland den Krieg verlieren würde?
Nein, unmöglich. Solche Gedanken hätte er ihr nie verheimlichen können.
Er hatte ihr etwas anderes verheimlicht. Wie schwierig die Lage ihrer Familie in Bergen war.
Vor wenigen Jahren, es kam ihr wie gestern vor, war sie in dem neuen Bahnhof, den Lauritz und Jens gebaut hatten, aus dem Zug gestiegen. Damals war das Leben leicht und beschwingt gewesen. Überall in der Stadt hatte Lauritzen & Haugen Häuser, Straßen, Brücken und Hafenanlagen gebaut. Kjetil und Lauritz waren die Prinzen der Stadt.
Nun hatte Kjetil den Vorschlag unterbreitet, den Namen Lauritzen aus dem Firmennamen zu streichen und wieder den alten Namen Horneman & Haugen zu verwenden. Ein Mitglied der Familie Horneman, die inzwischen am Sognefjord ganz andere Geschäfte betrieb, sollte gratis zwei Aktien erhalten. Dieser symbolische Besitz würde die Wiederverwendung des alten Namens rechtfertigen. Der Name Lauritzen sei seit dem Beginn der Torpedierungen zu belastet.
Sie konnten sich nicht verstecken. Sie konnten die Zeitungsfotos aus dem Jahre 1913, die sie bei der Einweihung der lächerlichen Statue mit der ebenso lächerlichen Rede neben dem Kaiser zeigten, nicht rückgängig machen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sehr es Alberte und Marianne damals mit Stolz erfüllt hatte, besonders gute Freunde der Deutschen zu sein.
Alberte und Marianne wie auch die meisten ihrer Freunde aus jener Zeit, die trotz allem nicht allzu weit zurücklag, waren schon lange über den Fjord gerudert, wie man in Norwegen zu sagen pflegte.
Diese Möglichkeit hatte es für Lauritz nie gegeben, selbst wenn er es gewollt hätte. Er war Vorsitzender der inzwischen ruhenden Freundschaftsvereinigung Bergen – Kiel. Seit Deutschland den unbeschränkten U-Boot-Krieg begonnen hatte, betrachteten erschreckend viele Menschen in ihrer Umgebung alle Deutschen als den Feind.
Ein befristetes Exil konnte eine Möglichkeit sein.
Aber das wäre feige gewesen. Zu verschwinden hätte dem zunehmenden Deutschenhass recht gegeben und als Schuldeingeständnis gedeutet werden können.
Da blieb sie doch lieber auf ihrem Posten. Es gab für Freiwillige in Bergen sehr viel zu tun, insbesondere für die wenigen Ärzte. Zeit hatte sie genug, da niemand mehr ihre provisorische Praxis bei ihnen zu Hause aufsuchte. Die Verwundeten und Brandverletzten, die jeden Tag mit Schiffen zum Sanitätsstützpunkt auf der Munkebryggen kamen, fragten nicht lange, ob die helfenden Hände deutsch oder norwegisch waren.
Es war Anfang September, und vor einer Woche hatte für Harald der Unterricht wieder begonnen. Es war ein Tag wie viele andere.
Zwei schwer beschädigte Schiffe wurden vom Byfjorden hereinbugsiert, und bald waren übervolle Rettungsboote auf dem Weg zur Munkebryggen, wo sich die Ärzte darauf vorbereiteten, Erste Hilfe zu leisten. Komplizierte Operationen wurden nicht vor Ort durchgeführt, die Verletzten wurden nur so weit versorgt, dass sie den Transport in eines der städtischen Krankenhäuser überlebten. Vor allem ging es darum, weiteren Blutverlust zu verhindern und Brandwunden zu versorgen. Die Seeleute, die zum Teil recht unsanft aus den Rettungsbooten auf den Kai getragen wurden, waren für gewöhnlich medizinisch nicht versorgt worden und hinterließen deutliche Blutspuren.
Ungewöhnlich war an diesem Tag, dass die Verwundeten von einem französischen Kriegsschiff kamen, einem Minensuchboot, das torpediert worden und in Flammen aufgegangen war. Dann war es jedoch wie durch ein Wunder nicht gesunken und hatte nach Bergen bugsiert werden können.
Die Hälfte der Besatzung war umgekommen, aber vier übel zugerichtete Seeleute wurden zu den wartenden Ärzten hinaufgeschleppt.
Ingeborg sprach als Einzige Französisch. Die anderen nahmen ihre Hilfe dankbar an, und sie übersetzte, als
Weitere Kostenlose Bücher