Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Sie mich überbieten«, sagte Lauritz kalt.
Er schielte zu Solveig hinüber, die ihn immer noch nicht erkannt hatte, aber verstanden zu haben schien, worum es ging, und der deutschen Unterhaltung gespannt folgte.
Die Frau aus Berlin zögerte, schnaubte verächtlich, griff in ihre Handtasche und suchte in ihrer Geldbörse, bis sie einen Fünfzigkronenschein fand, den sie demonstrativ langsam auf den Tresen legte und ihre Zehner zurücknahm.
»Ich gratuliere Ihnen, gnädige Frau, Sie haben soeben ein sehr gutes Geschäft gemacht«, sagte Lauritz.
»Kann schon sein, aber wenn Sie sich nicht eingemischt hätten, mein Herr, wäre es ein noch besseres Geschäft gewesen«, erwiderte sie ungnädig. »Was sollte das überhaupt?«
»Diese junge Dame, die Sie so verächtlich zu benennen die Freundlichkeit hatten, ist meine liebe Cousine. Und ich gehöre selbst zur hiesigen Naturbevölkerung.«
Lauritz hob seinen Hut und verbeugte sich zum Abschied. Beide Frauen starrten ihn an, die Berlinerin bestürzt über ihre peinliche Fehleinschätzung von Lauritz und Solveig, weil ihr erst jetzt aufging, dass der Fremde mit dem Städterschnurrbart, dem hohen schwarzen Hut und dem eleganten Mantel ihr Cousin Lauritz war.
Die Deutsche drehte sich auf dem Absatz um und ging zum Dampfer zurück, Solveig trat verblüfft auf Lauritz zu, der sie umarmte.
»Hat die Nordhordlandtracht nicht eine grüne Weste? So habe ich es zumindest aus meiner Kindheit in Erinnerung«, murmelte Lauritz noch in der Umarmung begriffen, verlegen wegen der Intimität und wegen seiner wenig geistreichen ersten Bemerkung.
»Nein, mein lieber Cousin Lauritz, wir haben vor drei Jahren zu Schwarz gewechselt.«
Damit kam ihre Unterhaltung zum Erliegen, vielleicht aus Verlegenheit oder weil es schwierig war, das seltsame Thema fortzusetzen. Lauritz half seiner hübschen Cousine dabei, den Stand in einem kleinen Schuppen beim Landungssteg zu verstauen. Er unterdrückte den Impuls, ihr zu sagen, was in korrektem Deutsch auf dem Schild stehen müsste. Es hatte so, wie es war, seinen Charme. Und die Touristen hatten ja offenbar keine Mühe, die Botschaft zu deuten.
Sie gingen nebeneinander zum Frøynes Gård, erst schwiegen sie und schauten zu Boden, dann begann Lauritz, seine Cousine über die Geschäfte auszufragen.
Alle Frauen auf dem Frøynes Gård strickten mittlerweile Pullover für die Touristen. Damit würde viermal so viel verdient wie mit der Fischerei ihrer Väter, als die noch am Leben waren. Nach der Schur der Schafe im Sommer beginne die Arbeit, erst das Spinnen der Wolle, anschließend das Färben des Garns. Den ganzen Herbst und Winter säßen sie am offenen Kamin und strickten, dann werde im kurzen Sommer alles verkauft.
Solveig hatte sich eine Methode einfallen lassen, immer
alles zu verkaufen, sodass sie nichts zum Hof zurückzutragen brauchte. Eine Stunde, bevor die Ole Bull anlegte, warf sie einen Blick in den Himmel. Bei strömendem Regen und Sturm blieb sie zu Hause, bei grauem Wetter nahm sie drei oder vier Pullover mit, meist vier, zwei von jeder Sorte. An einem sonnigen Tag wie diesem hatte sie so viele Pullover dabei, wie Passagiere im Erste-Klasse-Salon der Ole Bull Platz fanden, nämlich zwanzig. An einem solchen Tag kam sie gut und gern mit fünfhundert Kronen im Portemonnaie nach Hause.
Solveig erzählte lebhaft und fröhlich, und Lauritz war froh, nach seiner unbeholfenen Gesprächseröffnung endlich das richtige Thema gefunden zu haben. Dann fragte er aber doch, warum sie die Pullover zu solchen Schleuderpreisen verkaufe. Wie sie gerade gesehen habe, könne sie genauso gut fünfzig Kronen statt zwanzig Kronen für einen Pullover verlangen.
Darauf wusste Solveig keine Antwort, sie zuckte mit den Achseln und murmelte, Mutter Maren Kristine würde alles bestimmen, sie lege die Muster fest und die Schafe gehörten ihr.
Sie trennten sich auf dem Hof des Frøynes Gård, und Solveig eilte leichtfüßig auf das kleinere Wohnhaus zu. Lauritz blieb stehen, holte ein paarmal tief Luft und ging dann auf die Haustür des Haupthauses zu.
Als er klopfen wollte, wurde geöffnet. Seine Mutter stand in der altmodischen Nordhordlandtracht, so wie er sie kannte, vor ihm. Sie sagte nichts, nahm ihn in die Arme und hielt ihn eine Weile ganz fest.
Schließlich schob sie ihn, immer noch ohne etwas zu sagen, von sich weg und schaute ihn lange an. Ihr warmer
Blick trieb ihm Tränen in die Augen. Ihre Augen blieben trocken, er hatte sie noch nie weinen
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