Die Brueder des Kreuzes
Clair ahnungslos den Kopf schüttelte, verzog sie das Gesicht.
»Nun, Ihr solltet es aber wissen. Und beachtet bitte, dass ich gesagt habe, er war darauf versessen – so, wie ich meinen Sohn kenne, würde es mich nicht im Geringsten erstaunen, wenn er es längst wieder vergessen oder es sich anders überlegt hätte. In England mehren sich die Stimmen, die ihn drängen wollen, William Marshall zu seinem Berater zu machen, doch Richard will nichts davon hören, und ich wäre auch überrascht, wenn es anders wäre. Marshall war bis in die Haarspitzen Heinrichs Mann, so treu wie ein Jagdhund. In Richards Augen wird Marshall stets für Heinrich stehen, und ich kann nicht sagen, dass ich ihm das vorwerfe.«
Sie hielt inne.
»Außerdem geht Marshall England über alles. Richard dagegen hat noch andere Territorien zu regieren. England ist nur ein Nebenschauplatz in seinem Imperium. Er spricht ja die Sprache kaum, die man dort drüben knurrt.«
Wieder hielt sie inne, um über ihre nächsten Worte n achzudenken.
»Ich nehme an, Ihr wisst über Alaïs Bescheid?«
Sie las die Antwort in seinem Gesicht und fuhr fort.
»Aye, natürlich wisst Ihr das. Ihr müsstet ja blind und taub sein, um nicht davon zu wissen. Es war unvermeidlich, doch selbst ich empfinde Mitleid mit dem armen Ding, auch wenn sie eine Gans ist, die nichts von dem, was geschehen ist, hätte beeinflussen können. Sie ist ihr Leben lang benutzt und missbraucht worden und hatte nie genug Weitsicht, um darauf gefasst zu sein. Ich hätte längst jemanden umgebracht, wenn man mir auch nur die Hälfte von dem angetan hätte, was sie durchmachen musste. Doch Alaïs ist nicht ich, und nun ist sie wieder zu Hause in Frankreich, geschändet und ohne Hoffnung, in absehbarer Zeit einen anderen Mann zu finden … Was ist denn?«
»Was soll sein, Mylady?«
»Woran denkt Ihr? Ihr gafft gerade dümmlich vor Euch hin, also spuckt aus, was Ihr denkt, und dann reden wir darüber.«
Henry winkte mit einer Hand ab.
»Ich bin nur überrascht, Mylady. Ich höre und sehe weder Bitterkeit noch Hass, wenn Ihr von ihr sprecht.«
Ein sprödes Lächeln zuckte in Eleanors Mundwinkel.
»Das solltet Ihr auch nicht, denn solche Dinge empfinde ich ihr gegenüber nicht. Habt Ihr nicht gehört, dass ich gesagt habe, sie ist ihr Leben lang benutzt und missbraucht worden? Ich trage genug Bitterkeit in mir, Henry, versteht mich nicht falsch, aber ich verschwende sie nicht an Alaïs.«
»Aber … sie hat Euch Euren Mann gestohlen.«
»Gestohlen? Heinrich Plantagenet gestohlen? «
Ihr Lächeln wurde breiter, allerdings nicht wärmer.
»Denkt nach, Mylord St Clair, und vergesst nicht, wer der Mann ist, von dem wir hier sprechen. Es gab keine Frau, die Heinrich Plantagenet hätte stehlen können oder ihn dazu hätte bringen können, ihr länger zu Willen zu sein, als er benötigte, um sie zu besteigen. Mich selbst schließe ich davon nicht aus. Henry hat sich jede Frau genommen, die er wollte – er kam, ihn verlangte, er nahm. Oh, ich war ihm zwar viele Jahre lang ebenbürtig, doch als sich mein Aussehen veränderte und ich zu altern begann, hat er sich anderswo umgesehen. Und der alte Bock hat bis zu seinem Todestag voll im Saft gestanden.«
Sie schüttelte sacht den Kopf.
»Nein, Alaïs Capet hat mir nicht den Mann gestohlen. Ganz im Gegenteil. Wie so viele andere war auch sie für ihn nur ein Mittel zum Zweck, das er benutzt hat und wieder verwarf, sobald sein Blick auf das nächste hübsche Ding fiel. Wenn Heinrich Alaïs länger in seiner Nähe geduldet hat als sie anderen, so nur wegen der Provinz Vexin. Hätte er sie verworfen, hätte ihn dies die Provinz gekostet, oder er hätte zumindest einen langen, grausamen Krieg führen müssen, um sie zu behalten. Doch eine Diebin war Alaïs nicht, und als mein Gemahl sie zum ersten Mal angefasst hatte, hatte er mich schon lange weggesperrt – er hat gesagt, er könnte mich nicht frei herumlaufen lassen, weil ich mich sonst mit seinen Söhnen gegen ihn verschwören würde. Natürlich hatte er damit recht. Aber Alaïs hassen? Das wäre so, als würde man den Nordwind hassen, weil er den Schnee mitbringt. Das Kind konnte doch nichts dafür.«
Eleanor sah Henry an.
»Allerdings war Richard durch ihr Missgeschick gezwungen, sich so zu verhalten, wie er es getan hat, sobald Heinrich ihn zu seinem Erben ernannt hatte. Er konnte Alaïs kaum zu seiner Königin nehmen, während die ganze Welt wusste, dass sie als seine Verlobte jahrelang mit
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