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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Wie man sieht, läßt
    dieses »natürlich« schon ahnen, was intertextuelle Ironie
    ist.
    Kommen wir nun zu den Charakteristika des
    postmodernen Erzählens zurück. Was die Selbst-
    bezüglichkeit angeht, so kann der Leser die betreffenden
    Reflexionen unmöglich übersehen. Er kann sich durch sie
    gestört fühlen, er kann sie ignorieren (überspringen), aber
    er kann nicht übersehen, daß sie da sind. Dasselbe gilt für
    die Verwendung von expliziten Zitaten, wie im Falle des
    Troubadours bei Dante. Dem Leser kann sehr gut ver-
    borgen bleiben, daß Arnaut hier in seiner eigenen
    Troubadoursprache spricht, aber er bemerkt auf jeden Fall,
    daß er in einer Sprache spricht, die nicht die der
    Commedia ist, daß also Dante hier etwas Fremdartiges zitiert, sei es auch nur die Art, wie die Provenzalen
    sprechen.
    Um zur Doppelkodierung zu kommen, halten wir erst
    einmal fest, daß es mehrere Arten von Lesern geben kann
    (woran man sieht, wie viele Facetten dieser Begriff hat),
    nämlich a) einen Leser, der die Vermengung von »hohen«
    und »niederen« Stilmitteln und entsprechenden Inhalten
    nicht akzeptiert und daher die Lektüre verweigert, aber
    dies eben, weil er die Vermengung erkennt, b) einen
    Leser, der sich damit sehr wohl fühlt, weil ihm dieser
    Wechsel von Schwierigkeit und Entgegenkommen,
    Herausforderung und Einladung gefällt, und schließlich
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    c) einen Leser, der das ganze Werk als liebenswürdige
    Einladung auffaßt und gar nicht merkt, in welchem
    Umfang es elitäre Stileme zitiert (der also das Werk
    genießt, aber die Bezugnahmen nicht wahrnimmt).
    Nur dieser dritte Fall führt uns in die Strategie der
    intertextuellen Ironie ein. Wer angesichts jenes
    »natürlich« das Augenzwinkern versteht, stellt ein
    privilegiertes Verhältnis zum Text (oder zur Erzähler-
    stimme) her. Wer es nicht versteht, liest trotzdem weiter –
    und hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder ihm geht von
    selber auf, daß es sich bei jener Handschrift um eine
    literarische Fiktion handelt (deren Raffinesse er dann zum
    ersten Mal schätzen lernt, wodurch seine Kompetenz als
    Leser »wächst«), oder er schreibt mir einen Brief und fragt
    mich – wie es viele getan haben –, ob diese faszinierende
    Handschrift tatsächlich existiert. Einen Unterschied sollte
    man jedoch beachten: In Fällen von beispielsweise
    architektonischer Doppelkodierung kann dem Betrachter
    sehr wohl verborgen bleiben, daß eine Säulenreihe mit
    Tympanon die griechische Tradition zitiert, und trotzdem
    wird er die Harmonie und geordnete Vielfalt dieses
    Bauwerks genießen. Dagegen weiß der Leser, der den
    Sinn meines einleitenden »natürlich« nicht erfaßt, beim
    Weiterlesen bloß, daß er eine alte Handschrift liest,
    während ihm die Bezugnahme und ihre liebevolle Ironie
    entgeht.
    Ein Werk kann von Zitaten aus anderen Texten nur so
    wimmeln und trotzdem kein Beispiel für intertextuelle
    Ironie sein. Um nur eines zu nennen, Eliots Waste Land
    erfordert viele Seiten Anmerkungen, um alle Bezug-
    nahmen auf die Welt nicht nur der Literatur, sondern auch
    der Geschichte und der Ethnologie zu erklären, aber Eliot
    macht seine Anmerkungen gerade, weil er sich keinen
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    naiven Leser vorstellen kann, der nichts von all dem
    versteht und trotzdem imstande ist, seinen Text
    hinreichend zu genießen. Ich würde sagen, die Anmer-
    kungen sind ein integraler Bestandteil des poetischen
    Textes. Gewiß könnten »ungebildete« Leser sich damit
    begnügen, den Text wegen seines Rhythmus und Klanges
    zu schätzen, wegen jenes Quantums an Phantasmatischem
    und Phantasieanregendem, das auf der Inhaltsebene
    erkennbar wird, und dabei irgendwie ahnen, daß es noch
    mehr zu erfassen gäbe, also mit anderen Worten das Werk
    genießen wie jemand, der durch eine halb geöffnete Tür
    horcht und nur Andeutungen einer verheißungsvollen
    Enthüllung sieht. Aber das wären für Eliot (glaube ich)
    keine vollwertigen Leser, es wären nicht die Modell-
    Leser, die er anstrebte und sich heranbilden wollte.
    Fälle von intertextueller Ironie gibt es dagegen diverse,
    und eben deshalb charakterisieren sie Formen von
    Literatur, die bei allem Bildungsanspruch auch breiten
    Erfolg haben können: Der Text kann naiv gelesen werden,
    ohne daß der Leser die intertextuellen Bezüge erfaßt, oder
    er kann in vollem Bewußtsein dieser Bezüge gelesen
    werden, zumindest in der Überzeugung, daß es sich lohnt,
    nach ihnen zu suchen. Um einen Grenzfall zu nehmen:
    Stellen

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