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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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der Ausdruck Symbol auch für jene didaskalischen
    und sinnbildlichen Darstellungen benutzt wird, die anders-
    wo Allegorien genannt werden.
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    Wahr ist, daß man von »symbolischem Universum« für
    die Welt des Hochmittelalters gesprochen hat, von einem
    Universum, in dem nach den Worten des Johannes
    Eriugena ( De divisione naturae , V, 3) nihil enim visibilium rerum corporaliumque est, ut arbitror, quod non
    incorporale quid et intelligibile significet (»von den sichtbaren und körperlichen Dingen ist keines, denke ich,
    das nicht etwas Unkörperliches und Intelligibles
    bedeutet«). Die Welt wäre demnach, wie später Hugo von
    Sankt Viktor sagen wird, quasi quidam liber scripto digito Dei (»gleichsam ein von Gottes Hand geschriebenes
    Buch«). Sollte also ein Universum, in dem nostrum statum
    pingit rosa (»unseren Status stellt die Rose dar«, Pseudo-Alanus, Rhythmus alter )nicht von Symbolen erfüllt gewesen sein?
    Folgt man Johan Huizinga ( Herbst des Mittelalters ,
    Kap. 15), so ähnelte das symbolische Universum des
    Mittelalters dem der Correspondances von Baudelaire:
    Es gibt keine große Wahrheit, deren der mittelalterliche Geist gewisser war, als jener des Wortes an die Korinther: »Videmus
    nunc per speculum in aenigmate, tunc autem facie ad faciem.«
    (»Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort,
    dann aber von Angesicht zu Angesicht.«) – Man übersah niemals, daß jedes Ding ohne Sinn sein würde, wenn seine Bedeutung sich in seiner unmittelbaren Funktion und Erscheinungsform
    erschöpfte, daß alle Dinge ein gutes Stück in die jenseitige Welt hineinragen. Solches Wissen ist auch uns als unformuliertes
    Gefühl noch jeden Augenblick vertraut, wenn etwa das Geräusch
    des Regens auf den Blättern der Bäume oder der Schein der Lampe über dem Tisch in einer stillen Stunde hindurchdringt zu einer tieferen Wahrnehmung als der alltäglichen, die dem praktischen Denken und Handeln dient. Sie mag bisweilen in der krankhaften Form einer Zwangsvorstellung auftreten, der die Dinge wie von
    einer drohenden persönlichen Bedeutung oder von einem Rätsel
    schwanger erscheinen, das man kennen müßte und nicht kennen
    kann. Häufiger aber wird sie uns mit der ruhigen und stärkenden 185
    Gewißheit erfüllen, daß auch unser eigenes Leben in jenen
    geheimnisvollen Sinn der Welt verwoben ist.
    Dies ist freilich die Interpretation dessen, der bereits an
    den Grenzen seines Landes die Schemen von Verlaine und
    Rimbaud hat auftauchen sehen, umherirrend als Verbannte
    auf der Suche nach dem Absoluten, dem Geräusch des
    Regens auf den Blättern nachhorchend und bestrebt, sich
    das Herz von weher Sehnsucht durchdringen zu lassen
    oder sich an vokalischer Chromatik zu berauschen. War
    dies die Symbolik des hohen Mittelalters, geschweige des
    späten?
    Um das neuplatonische Erbe anzunehmen, mußte man,
    wie Dionysius Areopagita es getan hat, eine Idee des
    Einen als des Unergründlichen und Widersprüchlichen
    konzipieren, in der die Gottheit bezeichnet wurde als
    »leuchtender Dunst der Stille, der geheimnisvoll
    …
    leuchtende Finsternis lehrt« ( Theologia mystica , passim).
    Zwar bedeuten für Dionysius die Begriffe des Einen,
    Guten, Schönen immer Gott, so wie auch das Licht und
    der Blitz und die Eifersucht; aber diese Begriffe bedeuten
    ihn nur in »übersubstantieller« Weise: Er ist das alles, aber
    in einem unvergleichlich und unbegreiflich viel höheren
    Maße. Mehr noch, Dionysius hebt hervor (und seine
    Kommentatoren unterstreichen es), gerade damit klar sei,
    daß die Namen, die wir Gott zuschreiben, inadäquat sind,
    werde es gut sein, wenn sie so mißgestaltet wie irgend
    möglich klingen, unglaublich unpassend, fast provo-
    zierend beleidigend, außerordentlich rätselhaft, als ob das
    Gemeinsame, das wir zwischen Symbolisierendem und
    Symbolisiertem suchen, sich zwar herausfinden ließe, aber
    nur um den Preis akrobatischer Folgerungen und unpro-
    portioniertester Proportionen; und damit die Gläubigen,
    wenn Gott als Licht bezeichnet wird, sich nicht die irrige
    Vorstellung machen, es gebe leuchtende und golden
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    schimmernde himmlische Wesen, werde es um so besser
    sein, Gott sub specie monströser Wesen zu benennen, als
    Bär, als Panther, oder durch obskure Unähnlichkeiten ( De
    Coelesti Hierarchia , 2).
    Diese Art zu reden, die Dionysius selber »symbolisch«
    nennt (zum Beispiel in De Coelesti Hierarchia , 2 und 15), hat nun jedoch nichts zu tun mit jener

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