Die Burg
ausländischen Kennzeichen, aber heute ist Sonntag. Soll ich ihn einschleppen lassen?»
«Ja, die Spurensicherung soll ihn sich sofort vornehmen. Sag mal, ist Schnittges im Haus?»
«Kommt gerade rein.»
«Dann schick ihn mir mal.»
Bernies Miene sprach Bände. «Na, hast du wieder einen Nietenauftrag für mich?», grummelte er säuerlich.
«Ich glaube nicht», antwortete Toppe und brachte ihn auf den neuesten Stand.
«Hört sich vielversprechend an», bestätigte Bernie, «aber dass du Peter gleich nach England geschickt hast!»
Toppe ging nicht darauf ein, sondern gab ihm die Liste der Hotels und Pensionen. «Ich lege das vertrauensvoll in deine Hände. Nimm dir so viele Leute, wie du brauchst, Hauptsache, ihr seid bis heute Abend damit durch. Und drücke jedem einen Abzug von Harris’ Foto in die Hand, womöglich ist er unter falschem Namen abgestiegen.»
Das katholische Jungeninternat bestand aus mehreren imposanten Gebäuden aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich in einem großen Park rund um eine Kapelle gruppierten.
Der Direktor, Udo Heisterkamp, wohnte in einem spitzgiebeligen Häuschen am Rande des Geländes.
«Wenn es um einen unserer ehemaligen Schüler geht, sollten wir ins Sekretariat hinübergehen, dort sind alle Unterlagen.»
Ackermann ließ seinen Blick über die graue Tuchhose und den schwarzen Pullover wandern, an dessen Halsausschnitt der Kragen eines weißen Hemdes hervorspitzte. «Sind Sie Priester oder so wat?»
Heisterkamp runzelte irritiert die Stirn. «Nein, wie kommen Sie darauf?»
«Nur so. Seit wann sind Sie eigentlich Rektor hier?»
«Ich bin seit 1988 Direktor des Instituts.»
«Klasse!» Ackermann rieb sich die Hände. «Dann sind Sie ja der Richtige.»
«Fein», antwortete Heisterkamp schwach und hielt ihnen die Tür zum Haupthaus auf.
«Oliver Harris? Um den geht es also. Nun ja, der Junge war nur kurz bei uns, ungefähr zwei Jahre, würde ich sagen. Ich kann in den Unterlagen nachschauen, wenn Sie die genauen Daten brauchen.»
«Nein, nein», hielt Astrid ihn zurück. «Erzählen Sie uns einfach, an was Sie sich erinnern können.»
«Nun, Harris war nicht gerade ein Musterschüler, bockig, misstrauisch, unzugänglich. Er war im Grunde immer auf Ärger aus.» Sein Gesicht verfinsterte sich, er schien sich seine nächsten Worte gut zu überlegen. «Und dann diese unselige Geschichte, gleich am Anfang meiner Laufbahn, sehr unschön.»
Astrid und Ackermann schauten ihn nur fragend an.
«Nun, er ist mit einem Mitschüler auf der Toilette bei homoerotischen Spielen ertappt worden.»
«Ja, un’?», fragte Ackermann. «So wat is’ doch wohl ganz normal in dem Alter un’ dann auch noch auf so ’ner Penne wie der hier.»
Heisterkamp ignorierte ihn.
«Wer war der andere Junge?», wollte Astrid wissen.
«Ein Klassenkamerad, Thorsten Willem.»
«Waren die Jungen befreundet?»
«Ja, was wir mit einiger Sorge beobachtet haben. Thorsten war ein stiller Junge, schüchtern, fast unscheinbar, aber stets freundlich und sehr leistungswillig.»
«Na, dat muss aber ’n Skandal gegeben haben, wa? Ich mein, Sie haben doch hier bestimmt ’n Beirat oder so wat, wo lauter Pfaffen drin hocken», ließ Ackermann sich vernehmen.
Der Direktor schenkte ihm nicht einmal einen Blick.
«Was ist denn mit den beiden Jungen passiert?», fragte Astrid.
«Was soll mit ihnen passiert sein?», brauste Heisterkamp auf. «Wir waren schließlich auch schon im zwanzigsten Jahrhundert angekommen. Ich habe eine Schulkonferenz einberufen, und wir haben gemeinsam beschlossen, von Disziplinarmaßnahmen abzusehen.»
«Disziplinarmaßnahmen?», regte Ackermann sich auf. «Wie hätten die denn auch aussehen sollen? Schwanz ab? Oder wenigstens nachts die Hände auff ’n Rücken binden?»
Astrid trat ihm heftig auf den Fuß.
«Selbstverständlich haben wir die Eltern in Kenntnis gesetzt und es ihnen überlassen, wie sie mit dem Problem umgehen wollten.»
«Die Jungen sind beide an der Schule geblieben?»
«Oliver Harris hat ungefähr ein Jahr später auf Wunsch des Vaters unsere Schule verlassen. Er ist auf ein Internat in England gewechselt.»
«Und Thorsten Willem?»
Er sah ihr starr in die Augen. «Willem hat Suizid begangen.»
«Wann?»
«Ungefähr fünf Monate später, während der Herbstferien, im Haus seiner Eltern.»
Astrid spürte, dass sich ihr Magen verknotete.
«Wer war dat eigentlich, der die beiden Jungs auffem Klo erwischt hat?», fragte
Weitere Kostenlose Bücher