Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
dem Holzboden. Es hallte, als sie die Schlüssel auf das Flurtischchen warf.
Für sich selbst hätte Jo dieses Haus nie ausgesucht, weil sie es sich kaum hätte leisten können. Aber ihr Mann hatte es von seinen Großeltern geerbt. Er und Jo hatten alles restauriert. Wände herausgenommen, Böden abgeschliffen, Dachfenster eingebaut.
Nach Daniels Tod wurde seine Abwesenheit zu einer schier unerträglichen Qual. Anfangs hätte sie oft am liebsten die Fenster zertrümmert und geschrien: Komm zurück zu mir. Daniels Eltern hätten ihr das Haus gern abgekauft, doch es war zu ihrem Heim geworden, und inzwischen war sie froh, dass sie es nicht hergegeben hatte.
Sie ging in die Küche und machte Kaffee. Der Magnolienbaum im Garten hing voller Blüten, die im Mondschein wie weiße Fäuste leuchteten. Aus einem Nachbarhaus wehte lateinamerikanische Musik mit geschmeidigen Bläsern heran. Sie war aufgewühlt, als wäre sie den ganzen Abend an einen Raketenschlitten geschnallt gewesen.
Plötzlich klopfte es laut an der Eingangstür.
Als sie öffnete, stand Gabe Quintana auf der Schwelle, die Hände in den Jeanstaschen.
Nach dem ersten Blick auf sie trat ein wachsamer Ausdruck in seine Augen. »Vielleicht hätte ich vorher anrufen sollen.«
»Am Ende des Konzerts waren der Star und ein Stuntpilot tot, Fans wurden niedergetrampelt, und ich habe meine Mitarbeit an einem Fall aus einem der exotischeren Höllenkreise zugesagt.«
»Soll ich ein andermal wiederkommen?«
Sein schwarzes Haar war kurz geschoren. In seinen Augen brannte ein leises Feuer. Er glaubte keine Sekunde daran, dass sie ihn wegschicken würde.
»Eines Tage sage ich wirklich Ja. Nur damit du nicht übermütig wirst.«
Ein Lächeln huschte über seine Lippen. »Das tust du bestimmt nicht.« In seine bronzefarbene Haut gruben sich Lachfalten. Mit schelmischer Miene lehnte er sich an den Türrahmen.
Jo packte ihn an seinem »Bay to Breakers«-Shirt und zerrte ihn herein. Mit dem Fuß kickte sie die Tür zu und stieß ihn gegen die Wand. »Pass bloß auf. Ich brauch nur den Knopf drücken, und du gehst in die Knie.« Sie schnippte mit den Fingern. »Einfach so.«
»Versprochen?«
Sie hielt ihn fest. »Ich hab dich vierundzwanzig Stunden nicht gesehen, und es ist deine Schuld, dass mir das vorkommt wie eine Ewigkeit.«
Er legte ihr die Arme um die Hüften. »Den Knopf drücken. Ich glaub, meine Steuerkonsole spielt schon verrückt.« Er küsste sie.
Manchmal wirkte er still wie ein Teich. So reserviert, dass er fast unsichtbar wurde. Doch sie wusste, dass sich an der Oberfläche kaum etwas von den Turbulenzen darunter widerspiegelte, dass sie seine Intensität und Entschlossenheit verbarg. Er war ein Illusionist, ein Meister der emotionalen Taschenspielerei.
Bei seiner Arbeit als Such- und Rettungsexperte der Air National Guard leistete ihm sein kühler Kopf gute Dienste. Er strahlte etwas Freundliches, Beruhigendes aus. Doch wenn er herausgefordert oder bedroht wurde, änderte sich seine Haltung, und der Krieger kam zum Vorschein, der er gewesen war.
Und bald wieder sein würde.
Ein Tag vergangen, noch siebenundachtzig übrig. Gabe war zum aktiven Dienst einberufen worden. Am Ende des Sommers waren er und andere vom 129th Rescue Wing zu einem viermonatigen Einsatz in Dschibuti abkommandiert, um die Combined Joint Task Force der USA am Horn von Afrika mit Such- und Rettungskräften zu unterstützen. Seine Rückkehr war für Ende Januar vorgesehen. Danach sollte er weitere acht Monate im aktiven Dienst bleiben, hielt es aber für möglich, dass er den größten Teil davon in Moffett Field verbringen würde, dem Hauptquartier des 129th Rescue Wing in Mountain View.
Wie es immer bei der Einberufung von Reservisten geschah, brach auch Gabes Leben auseinander. Er war nicht nur Rettungsspringer, sondern dank der G.I. Bill auch Student an der University of San Francisco. Der Einsatz machte einen dicken Strich durch seinen akademischen Fahrplan. Doch oberste Priorität für ihn hatte seine zehnjährige Tochter Sophie. Er war alleinerziehender Vater. Es hatte Gabe größte Mühe gekostet, die Sorgerechtsvereinbarungen so abzuändern, dass Sophie während seiner Stationierung im Ausland bei seiner Schwester und deren Mann in San Francisco wohnen konnte. Sophie war nicht gerade glücklich, dass er so lange wegmusste. Aber sie wusste, dass es seine Arbeit war, und hatte Ähnliches bereits erlebt.
Im Gegensatz zu Jo. Sie zog ihn an sich, um ihren inneren
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