Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
jetzt.«
»Und so was verpasse ich? Verdammte Kacke.« Sie prügelte auf Tranhs Sitz ein. »Gottverdammte Scheiße.«
Sie riss ihr Telefon heraus und rief beim Sender an. Als sie am Union Square ankamen, brüllte sie noch immer den Produzenten an. Dann schaltete sie ab.
»Eine lokale Filiale war bei der Pressekonferenz. Aber ich war nicht dabei. Tranh, warum hast du nichts davon gewusst?«
»Vielleicht weil sie es erst bekanntgegeben haben, als der Polizeisprecher vor die Medien getreten ist?«
Vorn erspähte Edie den Hintereingang des St. Francis. »Halt hier an. Wenn noch Leute da sind, verlassen sie das Hotel nicht durch die Vordertür. So erwischen wir sie, wenn sie sich rausstehlen.«
Jo steuerte durch die hallende Lobby auf den Hintereingang zu, weg vom Klicken der Fotoapparate, der kläffenden Pressehorde, den schluchzenden Fans und dem aalglatten Geschwätz von Lieutenant Dart. Sie hinterließ Ferd eine Nachricht auf der Mailbox, um sich für alles zu bedanken, was er getan hatte. Sie versprach, ihm alles zu erzählen, sobald sie zu Hause war. Sie passierte die Tür und wandte sich zur Straße. Sie hatte das Gefühl, keinen Schritt mehr machen zu können.
Müde winkte sie einem Taxi. Plötzlich bemerkte sie auf dem Gehsteig Edie Wilson mit ihrer hochtoupierten blonden Mähne und dem Raubtierlächeln.
»Dr. Beckett.«
Wilson näherte sich ihr. Sicher war es eine optische Täuschung durch Jos erbarmungslose Kopfschmerzen, aber Wilson schien auf sie zuzugleiten wie eine von einem Dämon besessene Puppe.
Sie hielt Jo ein Mikrofon hin. »Warum ist die Polizei nicht rechtzeitig eingetroffen, um Searle Lecroix zu retten?«
Jo unterdrückte jeden Kampf- und Fluchtinstinkt. Ihre Reserven waren total erschöpft. Nur nicht zusammenklappen. »Kein Kommentar.«
»Warum hat die Polizei so zögerlich auf die Gefahr reagiert?« Das Mikrofon fuhr heran wie ein Dolch.
»Wirklich, ich kann jetzt nicht reden. Bitte entschuldigen Sie mich.«
Sie wollte sich entfernen. Wilson und ihr Kameramann verstellten ihr den Weg.
»Warum wollen Sie nicht mit uns reden? Was ist mit Searle Lecroix? Verdient er keine Antwort?«
»Bitte hören Sie auf.«
»Wer wird für Searle sprechen? Warum ist die Polizei nicht rechtzeitig gekommen? Und was haben Sie getan?«
Das Taxi stoppte am Randstein. Der Fahrer gaffte durchs Fenster, als wäre soeben Godzilla aufgetaucht, um sämtliche Psychiater von San Francisco zu verspeisen.
»Haben Sie die Polizisten aufgefordert wegzubleiben?« Wilson war in ihrem Element. »Haben Sie sie in die Irre geführt?«
»Tut mir leid, ich muss weg.«
Jo kämpfte gegen die Tränen an. Wenn sie jetzt wütend wurde, dann würde sie es vermasseln. Sie stieg ins Taxi und schlug die Tür zu. Verdutzt musterte sie der Fahrer im Rückspiegel.
»Ecke Kearny und Sutter Street. Los«, sagte sie.
»Ist das …«
»Ja. Bitte, ich hab’s eilig.«
Das Taxi fuhr an.
»Und was ist mit Gabe Quintana?«, rief ihr Wilson nach.
Unwillkürlich wirbelte Jo herum und starrte durchs Heckfenster.
Die Augen der Reporterin leuchteten auf. »Quintana, Dr. Beckett.«
Mist. Jo wusste, dass ihr gerade ein böser Fehler unterlaufen war. Das Taxi beschleunigte zum Union Square, bis sie endlich außerhalb der Reichweite von Edie Wilson war. Aber ihr war klar, dass sie schon bald mit dem nächsten Angriff rechnen musste.
KAPITEL 43
Jo sperrte die Eingangstür hinter sich ab und setzte sich auf die Treppe. Das Licht im Flur erschien ihr grün und rissig, als wäre sie nach dem Grauen des Nachmittags von Zerrspiegeln aus zerbrochenen Flaschen umgeben. In ihrem Kopf lief als Endlosschleife »Amazing Grace«, doch wenigstens hatten die Kopfschmerzen nachgelassen, kaum dass sie ihr Haus betreten hatte.
Und sie konnte nicht mehr glauben, dass sie bloß paranoid war. Tang und Captain Bohr hatten sie vom Gegenteil überzeugt. Bohr, weil er Steuerprobleme hatte. Tang, weil es im Unternehmen ihrer Eltern eine Razzia gegeben hatte. Das alles ging von zentraler Ebene aus. Sowohl die Steuerbehörde Internal Revenue Service als auch das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives waren Bundesbehörden.
Und die Air National Guard.
Die Abänderung von Gabes Einberufungsbefehl war eine Botschaft an sie. Er sollte von der Seite seiner kleinen Tochter gerissen und in ein Kriegsgebiet versetzt werden, um sie zur Aufgabe der Ermittlungen im Fall Tasia McFarland zu bewegen.
Sie nahm das Telefon aus der Tasche und wählte eine
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