Die Chronistin
nicht tun können, wenn Euch nichts Besseres einfällt. Seht Ihr denn nicht, wie viel Blut sie bereits verloren hat? Und die Krämpfe, die sie durchzucken, scheinen nicht nur von Wehen bedingt, sondern von der eigenen Todesfurcht. Es ist, als wollte sie den Leib zusammenpressen, um das Kind darin zu halten – das aber ist ihr Verderben.«
Die Frauen schwankten zwischen Missbilligung über die respektlosen Worte und Angst.
»Was sollen wir denn tun?«, kam es klagend. »Man nannte Euren Namen, weil dieser in Paris als einer gilt, der manches Mal den Tod vertrieben hat. Werdet Ihr auch hier...«
»Gewiss!«, fuhr Sophia ihr ungeduldig ins Wort und verbarg die Unlust über die rühmenden Worte nicht. »Und jetzt hört zu, was ich Euch sage, und haltet Euch daran: Zunächst brauche ich gebranntes Wasser der Feldblume, um ihre Krämpfe zu lösen. Hernach werde ich ihr Beifußwasser geben, auf dass die Geburt sich beschleunige. Und damit das Kind leichter aus dem Leibe rutscht, ist’s obendrein ratsam, die Scham mit Veilchenöl einzureiben.«
Indessen die starre, angstvolle Stille der wartenden Frauen sich in unruhige Betriebsamkeit wandelte, legte Sophia die Hand auf den Leib der Gebärenden.
»Könnt Ihr mich hören?«, fragte sie.
Das Stöhnen der gequälten Frau klang verlöschend leise, aber gab keine Worte preis.
»Hört mir zu«, sprach Sophia beruhigend auf sie ein. »Vertraut mir – und ich werde Euch und Euer Kind retten. Es hat den Anschein, dass es nicht richtig liegt – wir müssen es drehen, sodass es mit dem Kopf voran kommt und die Arme neben den Beinen liegen.«
»Bitte!«, versuchte die Gebärende mühsam zu artikulieren. »Bitte, macht, dass es aufhört!«
»Ihr müsst keine Furcht haben!«, sprach Sophia ruhig. »Ich will Euch sagen, was ich tun werde. Um das Kind zu drehen, muss ich es noch mal zurück in Euren Leib schieben. Eure Damen werden Euch die Beine zu diesem Zwecke über den Kopf drücken. Es wird schmerzen – aber nicht lange dauern, dies kann ich Euch versprechen.«
»Wer... wer seid Ihr?«, tönte es schwach über geschundene Lippen.
»Ich bin Sophia de Guscelin – und ich weiß, was Ihr ertragen müsst. Es ist acht Jahre her, da habe ich selbst eine Tochter geboren. Schrecklich war es für mich, sie all die langen Monate zu tragen – und noch schrecklicher, sie schließlich auf die Welt zu bringen. Aber seht: Auch das Schlimmste geht vorüber, und in der Erinnerung tut es nicht mehr weh.«
»Ich erinnere mich an Euren Gatten«, murmelte die Gebärende, »Er hieß Bertrand, nicht wahr? Das Schicksal war so grausam, ihn Euch zu nehmen, noch ehe Ihr das Kindlein hattet, und er starb einen schrecklichen Tod, der drei Tage währte.«
»Ja... ja gewiss«, murmelte Sophia ausdruckslos. »Eine fremde Krankheit hat ihm die Eingeweide zerrissen. Aber Ihr werdet nicht sterben... Hoheit.«
Sie trocknete die verschwitzte Stirn der Frau, die als Bianca von Kastilien und Tochter eines Königs geboren worden war und die man Blanche nannte, seitdem sie noch in der Zeit des Interdikts dem französischen Thronfolger Louis angetraut worden war.
»Euer Kind wird leben«, fügte Sophia tröstend hinzu, »und König Philippe wird sich über den heiß ersehnten Enkel freuen.«
Lange blieb Sophia bei der schlafenden Blanche. Der Anblick der Dauphine ermüdete sie – und kurz war sie geneigt, einfach den Kopf niederzulegen und gleich ihr ins beruhigende Schwarz zu sinken.
Übervoll war der Raum gewesen, als gegen Mittag endlich der kleine Junge geboren war, zwar bläulich verfärbt, aber kräftig nach Luft schnappend. Sophia strich Honig auf Gaumen und Zahnfleisch, um den Mund zu reinigen, wusch ihn anschließend in einer flachen Holzwanne und trocknete ihn mit vorgewärmten Tüchern. Die Frauen bestaunten sie ehrfürchtig.
»Befühlt in den nächsten Stunden regelmäßig seine Haut!«, befahl Sophia. »Wird sie zu kalt, so muss das Kindlein mit Schweinefett eingerieben werden!«
Nachdem der kleine Prinz in die Wiege gelegt worden war, wandte sie sich der Mutter zu und legte ein Säckchen mit Beifuß, der in Wein und Wasser gesotten war, auf deren blutende Scham. Blanches Augen stierten blicklos – sie schien nach all den schrecklichen Schmerzen nicht zu gewahren, dass sie endlich, endlich den erhofften Erben geboren hatte.
An ihrer statt jubelten laut alle anderen. Der Thronfolger Louis kam stolz, den Sohn zu schauen, und bekundete, dass er wie der Großvater Philippe heißen solle.
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