Die Chronistin
versiegen!«, fuhr Isidora mit dunkler Stimme fort. »Werft einen bösen Blick auf Théodore, und Ihr werdet erblinden!«
Der Soldat beim Hauseingang begann zu murren. »Hört nicht auf das Weib!«, zischte er gleichsam ungeduldig und ängstlich. »Steigt nun endlich ab und folgt mir!«
»Wehe! Wehe!«, rief Isidora, und ihr schwarzes Kleid flatterte wie Flügel einer Fledermaus, indessen sie die Pferde immer weiter zurücktrieb. Das eine schnaubte, wieherte, stieg hoch. Immer noch versuchte sein Reiter es verzweifelt zu beschwichtigen und es am Brustriemen zurückzuziehen, doch Isidora lief unter den fuchtelnden Hufen auf und ab, bis dem Mann schließlich die Zügel entglitten, er über den Rücken des Tieres rutschte und wie ein Mehlsack auf den Boden plumpste.
Er brauchte eine Weile, um sich ächzend zu erheben, doch als er wieder nach den Zügeln greifen wollte, war es zu spät. Das Pferd hüpfte, tanzte, drehte sich im Kreis. Zuletzt schlug es mit den Hinterhufen aus, traf damit Isidoras Gesicht und trampelte schließlich, nachdem sie zu Boden gegangen war, auf die liegende Frau.
Nie hatte Sophia Isidora ohne Augenbinde gesehen. Nun war sie verrutscht und machte eine grässliche Narbe sichtbar. Wie rote Würmer, die im grellen Sonnenlicht vertrocknet waren, runzelten sich die leeren Lider unter der Braue. Alsbald bekleckerte rotes Blut, das vom Kopf strömte, die leere Höhle. Es rann auch aus der Nase und – nachdem Isidoras Leib sich mehrmals gekrümmt – aus dem Mund.
»Théodore«, flüsterte sie, als Sophia zu ihr geeilt kam und neben ihr auf die Straße sank. »Théodore muss fliehen...«
Unruhig und ängstlich standen die vier Männer um die Sterbende herum, und anstatt Théodore festzunehmen, lauschten sie, ob sie letzte Flüche gegen sie sprechen würde.
Jene aber galten einer anderen.
»Weh Euch, wenn Théodore Euretwegen stirbt!«, sprach Isidora röchelnd zu Sophia. »Weh Euch, wenn es nicht gelingt, ihn von seinem Elend zu befreien!«
Der Anblick des geschundenen Gesichts und die frische Nachtluft machten Sophias Gedanken wieder wendig.
»Ich wollte ihm doch niemals Schlechtes... das musst du glauben«, stammelte sie hilflos. Sie versuchte, Isidoras Kopf zu stützen, doch mit einem letzten Aufbäumen entzog sich diese ihrer Berührung.
»Böse... böse...«, krächzte sie. »Ihr seid ein böses Weib. Ich weiß seit langer Zeit, dass Cathérine nicht Bertrands Tochter ist. Nicht im Geringsten sieht sie ihm gleich. Ihr habt Euch des Ehebruchs schuldig gemacht... nicht er...«
Sophia senkte den Blick und duckte sich unwillkürlich. Des schaurigen Anblicks ledig, keimte in ihr Trotz.
»Dann wundert’s mich, dass Ihr mich nicht vergiftet habt wie ihn«, murmelte sie so leise, dass es die Männer nicht hören konnten.
Isidora spuckte und erbrach noch mehr Blut. Die Lache, die sich um sie ausbreitete, glänzte im Dunkeln schwarz, nicht rot.
»Und Mélisande... Ihr habt meine schöne Mélisande in den Tod getrieben!«
Sophia schauderte. »Sie war nicht mehr schön!«, versuchte sie sich dennoch zu verteidigen. »Sondern ein Haufen Fäulnis! Der Tod war gewiss eine Erlösung für sie!«
»Denkt nicht, Ihr wärt mich los, nur weil ich sterbe«, kam es ächzend von der Liegenden, indessen das Blut wie ein schwarzes Tuch ihr Haar bedeckte. »Mein Fluch soll Euch immer begleiten, von jetzt an für immerdar. Länger noch, als Ihr es für möglich haltet, währt meine Rache... Die Saat wird aufgehen, die ich gepflanzt habe... und sie wird üble Ernte bringen.«
Die Männer begafften das sterbende Weib.
»Sollen wir einen Priester holen?«, fragte einer ängstlich in die Nacht.
Isidoras letzte Worte galten ihm – und nicht Sophia. »Bloß keinen Pfaffen!«, zischte sie, und es klang gurgelnd, als würde sie im eigenen Blut ertrinken. »Wegen der Pfaffenbrut wäre ich gestorben, wenn Mélisande mich nicht gerettet hätte.«
Versterbend leise waren ihre letzten Worte. Sophia wollte ihr den Kopf halten, um ihr das Atmen leichter zu machen – doch wusste, dass die Frau lieber qualvoll erstickte, anstatt in ihren Armen zu sterben. So blieb sie steif sitzen, während hinter ihr Cathérine erschien und spitz aufschrie. Dass jene auf der Straße erschien, war freilich ein Zeichen, dass Théodore das Haus verlassen hatte und Isidora nicht umsonst sterben würde.
»Théodore«, flüsterte Sophia, »Théodore hat fliehen können.«
Das heile Auge von Isidora wurde starr und leer. Gleichwohl dachte
Weitere Kostenlose Bücher