Die Chronistin
brüchigen Friedensabkommens zwischen Frankreich und England, dessen König Blanches Onkel war, und es wurde im März geschlossen –, musste die Hochzeitsgesellschaft Frankreich verlassen. Beschämend war es für Philippe, angevinischen Boden zu betreten, auf dass ein Priester den Eheschwur abnehmen konnte. Die beiden Brautleute waren nicht glücklicher – sie glichen zwei Kindern in Erwachsenenkleidern.
Im gleichen Monat wendete sich Agnèse – noch Philippes Gattin, noch Königin von Frankreich – an Papst Innozenz, flehte ihn an, ihr die Schande zu ersparen, verstoßen zu werden wie einst Isambour, und verwies auf das Schicksal ihrer unschuldigen Kinder Philippe-Huperel und Marie. Galten diese, die sie Philippe als gute Gattin geschenkt hatte, nicht mehr als die sonderliche Isambour? Hatte nicht auch der Herrscher des angevinischen Reichs Jean sans Terre seine erste Ehe für nichtig erklären lassen können – ohne dass der Stellvertreter Petri einschritt?
Der Papst schrieb ihr persönlich zurück: Er könne sich vorstellen, ihre beiden Kinder als legitim zu erklären – die Annullierung von Isambours und Philippes Ehe jedoch wäre eine Spottkomödie gewesen, die der französischen Bischöfe nicht würdig sei. Ihm sei beglaubigt worden, dass Isambour sich stets als vorbildliche Christin verhalten würde; für ihre Rechte müsse er eintreten – koste es, was es wolle, und stehe das Seelenheil aller Franzosen auf dem Spiel.
Bertrand weckte Sophia mitten in der Nacht. Durch die schmalen Ritzen der Fensterläden floss zwar endlich wieder milde Frühlingsluft, aber jene war noch tiefschwarz, nicht grau gefärbt vom Morgendämmer.
Sophia fuhr herum und wähnte sich in einem Albtraum gefangen. In diesen Wochen führten die Dämonen der Nacht sie oft in ein Reich von klagenden Stimmen, unter denen sich jene von Isambour am deutlichsten abhob. Erst als sie mit einem Ruck auffuhr und tastend um sich griff, gewahrte sie, dass Bertrand nicht zu den verwunschenen Schatten gehörte, die ihr auf der Brust hockten, sondern zu einer fröstelnden Wirklichkeit. Er versuchte sie aus dem warmen Bett zu ziehen.
»Schnell!«, rief er verzweifelt. »Bitte, macht schnell! Beeilt Euch – Ihr müsst mir helfen!«
So hatte sie ihn noch nie sprechen gehört – vor allem nicht nach ihrem wüsten Streit im letzten Jahr. Er war nicht wieder laut geworden, jedoch wortkarg geblieben. Jetzt rang alles in ihm nach Eile.
»Ihr müsst kommen – Ihr müsst mit mir kommen, um Unheil abzuwenden!«
Noch immer im Taumel des Schlafes gefangen, wähnte sie seine Aufregung mit dem Geheimnis verbunden, das oben in den Kammern verborgen war. Die Neugierde weckte sie gänzlich auf – und schnell war sie angekleidet. Draußen im Flur stand Isidora, mit üblicher schwarzer Binde, aber hellem Nachtgewand anstelle des dunklen Kleides, das sie des Tags trug. Weniger furchterregend als sonst deuchte sie Sophia.
»Herr Bertrand«, rief sie, »Herr Bertrand – soll ich nicht mitkommen, um Euch...«
»Ach was, Weib!«, fuhr Bertrand sie an. »Wie lange erhoffe ich mir nun schon von deinen Zaubersprüchen, dass sie... und du schaffst es ja doch nicht... ja, wenn du Mélisandes Leben nicht zu retten vermochtest, wie sollst du dann...«
Ungehalten brach er ab und beließ Sophia – indessen Isidora ergeben und schmallippig nickte – in Unwissenheit.
»Weck Théodore nicht auf, sondern lass ihn schlafen!«, rief Bertrand der Sarazenin letzten Befehl zu, ehe er Sophia nach unten zerrte. Die kalte Nachtluft belebte, doch die Neugierde verging ihr, da der Grund von Bertrands Unruhe offenbar an fernem Orte zu liegen schien, den man nur mit der Kutsche erreichen konnte, und nicht in einer der Kammern droben. Hurtig ging’s durch leere Straßen, während Sophia die Enttäuschung darüber schluckte, das Rätsel der Guscelins nicht zu enthüllen, jedoch gewisse Schadenfreude zu fühlen begann, dass Bertrand ganz offensichtlich ihrer bedurfte – wiewohl er ihr seine Aufregung noch nicht erklären wollte.
In den letzten Monaten war er auch des Nachts meist oben in seinem Alchemisten-Raum sitzen geblieben. Sie störte sich nicht daran, wo er schlief, aber sie haderte im letzten halben Jahr noch mehr als zuvor, dass er ihr die Bibliothek verwehrte. Die Besuche bei Frère Guérin hatten sie von jenem Ungemach abgelenkt, doch seit dem Interdikt hatte der engste Berater des Königs sie nicht wieder zu sich rufen lassen.
Warum auch, dachte sie, die Briefe, die
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