Die Company
misstrauisch geworden war. Ich hatte Angst, die Notfallnummer, die Sie mir gegeben haben, von der Botschaft aus anzurufen. Der Resident hat mich persönlich zum Flughafen begleitet. Nach dem Einchecken habe ich mich nicht getraut, ein öffentliches Telefon zu benutzen – es hätte ja sein können, dass man mich beobachten ließ.« Kukuschkin zuckte die Achseln. »Also bin ich nach Moskau geflogen.«
»Ist Ihnen seit Ihrer Rückkehr irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
Kukuschkin schüttelte heftig den großen Kopf, als wollte er die letzten Zweifel zerstreuen, die er haben mochte. »Wir haben Zimmer in einem Hotel für durchreisende KGB-Offiziere bekommen. Die Beerdigung war zwei Tage nach meiner Ankunft. Der Leiter des Ersten Direktorats hat mich auf eine Tasse Tee in sein Büro eingeladen und mir mitgeteilt, dass er mich in die neue Abteilung D versetzen will. Kurzum, alles erschien mir normal, und meine anfänglichen Befürchtungen legten sich.«
Die beiden jungen Männer, die Inschriften kopierten, nahmen sich einen neuen Grabstein vor.
»Sie hatten Befürchtungen?«
»Ich bin ein Mensch, Manny. Auch ich sehe überall Gespenster. Aber ich habe mir gesagt, wenn die Geschichte mit dem Schlaganfall meines Schwiegervaters erfunden gewesen wäre, um mich zurück nach Moskau zu locken, hätten sie mich zusammen mit meiner Frau und meiner Tochter geholt und nicht danach.«
»Nicht unbedingt.«
»Wieso ›nicht unbedingt‹?«, fragte Kukuschkin ungehalten.
»Sergei, betrachten wir die Situation mal nüchtern«, sagte Manny.
»Ich betrachte sie nüchtern«, brummte Kukuschkin.
»Wenn ein Verdacht gegen Sie bestand, mussten sie sich einen Plan überlegen, wie man Sie nach Moskau zurückholen könnte, ohne Ihr Misstrauen zu erregen. Hätte man Sie mit Frau und Tochter zurückgeschickt, hätten Sie für sich und Ihre Familie am Flughafen um politisches Asyl bitten können. Die Tatsache, dass sie euch drei getrennt zurückgeschickt haben –«
»Sie deuten das als schlechtes Omen?«
»Ich deute es gar nicht. Ich überlege nur, was für Möglichkeiten bestehen, Sergei.«
Kukuschkin dachte darüber nach. »Ich hasse Russland«, verkündete er heftig. »Alle, denen ich hier begegne, reden voller Nostalgie über irgendetwas – die Revolution, den Krieg, den Schnee, das Zarenreich, ja sogar Stalin. Stellen Sie sich vor, Manny, selbst in der Lubjanka-Kantine sprechen die Leute noch mit gedämpfter Stimme von der guten alten Zeit.« Er blieb abrupt stehen und drehte sich zu Manny um. »Ich werde in Moskau nicht für euch spionieren, falls Sie deshalb hergekommen sind. Ich hab es schon in Washington kaum fertig gebracht. Hier steht es absolut außer Frage.«
»Ich bin nicht den weiten Weg gekommen, um Sie zu bitten, hier für uns zu arbeiten. Ich bin hier, weil wir Ihnen etwas schulden. Wir können Sie rausschmuggeln. Das wäre nicht unsere erste Exfiltration.«
»Aus Russland?«
»Von der Krim aus, wo Sie problemlos Urlaub machen können.«
»Und meine Frau und meine Tochter?«
»Die kommen natürlich mit.«
»Und die Schwester meiner Frau und ihr Sohn und ihre alte Mutter, die jetzt Witwe ist?«
Sie gingen weiter. »Wir könnten eine Maschine chartern«, witzelte Manny trocken.
Keiner von beiden lachte.
Manny sagte: »Denken Sie gründlich darüber nach, Sergei. Es könnte Jahre dauern, bis Sie wieder einen Posten im Ausland bekommen.«
»Posten im Ausland sind heiß begehrt. Vielleicht kriege ich nie wieder einen.«
»Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer, die Sie sich einprägen müssen. K 4-89-73. Wiederholen Sie sie.«
»K4-89-73.«
»Wenn jemand abnimmt, husten Sie zweimal und legen wieder auf. Damit aktivieren Sie Treffen eins und zwei am zweiten und vierten Dienstag im Monat. Derjenige, der sich mit Ihnen trifft, wird eine Ausgabe des Nowi Mir unter dem Arm tragen und lediglich sagen, er sei ein Freund von Manny.«
Kukuschkin wiederholte die Telefonnummer noch zweimal. Dann fragte er, was Manny jetzt vorhabe.
»Ich bin nur gekommen, um mit Ihnen zu sprechen. Sobald ich kann, reise ich wieder ab.«
Die beiden kamen wieder auf den Weg, der zum Haupteingang des Friedhofs führte. Kukuschkin sagte: »Ich werde Elena erzählen, dass Sie von der Möglichkeit einer Exfil–« Er brach jäh ab. Manny folgte seinem Blick. Eine Schar Männer, einige in Uniform und mit Maschinenpistolen bewaffnet, andere in dunklen Anzügen, waren am Friedhofstor aufgetaucht. Die Uniformierten verteilten sich in beiden
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