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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Kampfplatz und ebenjener fremde Ritter, der Ermengarda gestern auf dem Markt in lo Borc aufgefallen war. Sie mühten sich redlich mit Schild und Schwert, mal trat Giraud, mal Felipe gegen den Fremden an. Obwohl beide als geübte Krieger galten, konnten sie ihn nicht bezwingen. Er bewegte sich kraftvoll und doch geschmeidig. Nichts, was die beiden gegen ihn ins Feld führten, schien ihn aus dem Tritt zu bringen oder im Geringsten zu beunruhigen. Außerdem kam es ihr so vor, als ob der Fremde zögerte, seine ganze Kraft einzusetzen. Tat er das aus Höflichkeit? Diese Erklärung gefiel ihr. Es passte zum Bild des edlen
cavaliers
aus den Liedern, die bei Hofe gesungen wurden.
    Die Männer legten eine Pause ein und nahmen die Helme ab. Felipes helles Haar leuchtete in der Sonne. Er zog die gepanzerten Handschuhe aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Man sah sie miteinander scherzen, verstehen konnte man jedoch nichts hier oben. Der Fremde hatte lange, dunkle Locken, die ihm in die Stirn fielen und bis zu den Schultern reichten. Woher er wohl kommen mochte? Sie beobachtete ihn, wie er, Hand auf den Schild gestützt, einen zu gierigen Schluck aus einem Krug nahm, so dass sich Wasser über sein
sobrecot
ergoss. Seine Zähne blitzten, als er über die eigene Ungeschicktheit lachte.
    »Bist du in Felipe verliebt?«, fragte Nina.
    Ermengarda riss sich vom Anblick der Männer los.
    »Wie kommst du denn auf so was?«
    »Weil er dich immer so anschaut.«
    »Wie denn?«
    »Nun …«, Nina überlegte, »… ehrfürchtig, irgendwie.«
    »Ehrfürchtig?«
    »Ja. Wenn du einen Raum betrittst, hört er auf zu reden. Und dann beobachtet er dich. Er hat dich immer im Auge.«
    »Ach! Das bildest du dir ein.«
    »Und warum wirst du dann rot?«
    »Ich werde nicht rot«, lachte sie.
    »Doch, ich kann es sehen.«
    »Du willst wohl unbedingt, dass ich rot werde.«
    »Ja, bitte, bitte werde rot!«, bettelte Nina und kicherte. »Das sieht so lustig aus.«
    Ermengarda fasste sich unbewusst an die Wangen. »Mit deinem Gerede gelingt es gar noch. Jetzt ist aber Schluss.«
    Nina schmiegte sich an ihre große Schwester, legte ihr den Kopf auf die Brust und schlang ihr mit einem wohligen Seufzer die Arme um den Leib. »Es wäre doch schön, nicht? Ich mag Felipe. Wenn du ihn nicht willst, dann heirate ich ihn eben. Was meinst du?«
    »Warum nicht?« Ermengarda drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und wiegte sie in den Armen. Besser, nichts über den ritterlichen Treueschwur zu sagen, den Felipe ihr geleistet hatte.
    Ach, wenn ich Nina nicht hätte, dachte sie. Auch wenn ihre Halbschwester so viel jünger war, spürte sie so etwas wie Geborgenheit bei ihr, besonders nach dem Tod der Brüder. Nina war alles, was ihr geblieben war. An ihre Mutter konnte sie sich kaum erinnern, außer an die lähmende Angst, mit der sie in ihrem Kinderbettchen vergeblich nach ihr geschrien hatte, in der Nacht ihres Todes. Und diese Angst, von allen verlassen zu sein, überkam sie manchmal noch immer.
    »Vielleicht verträgt sich Mama wieder mit Felipes Vater. Dann sind wir fast wie eine Familie.«
    Ermengarda schob ihre Schwester brüsk von sich. »Sag so etwas nicht! Es ist doch eine Schande, wie Mutter sich aufführt.«
    Nina streckte ihr die Zunge raus. »Und du … mach dir bloß keine falschen Hoffnungen auf Felipe«, rief sie gehässig. »Am Ende bestimmt Mama, wen du heiratest. Gewiss einen fetten alten Grafen mit faulen Zähnen.« Sie kicherte schadenfroh.
    »Ich heirate nur, wen ich will«, sagte Ermengarda hitzig und war selbst erstaunt über diese Worte, kaum dass sie aus dem Mund waren. Nina sah sie mit großen Augen an.
    »Bist du verrückt? Keine heiratet, wen sie will.«
    Ermengarda reckte ihr Kinn in die Höhe.
    »Ich schon«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Das oder gar nicht.«
    Dass Nina recht hatte, das wusste sie. Fürstentöchter waren nicht mehr als Tauschware auf dem großen Brettspiel der Macht, und was man von ihnen erwartete, wurde ihnen schon von Kindesbeinen an beigebracht. Und doch. Die eigenen überraschenden Worte noch im Ohr, war sie plötzlich hoffnungsvoll, ihr Leben könnte vielleicht anders verlaufen.
    »Vorerst heiratet hier niemand«, tönte eine strenge Stimme hinter ihnen. Ermengarda fuhr herum.
Domna
Anhes hatte sie erwischt.
    »Ihr habt doch nicht geglaubt, dass mir euer kleines Versteck verborgen geblieben ist, oder?« Ein dünnes Lächeln erschien auf Anhes’ Lippen, und sie zwinkerte den Mädchen kaum merklich

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