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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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von Gewalt beitragen. Und wenn du, ausgerechnet du, auch dorthin gehst, dann spielst du ihnen verdammt noch mal in die Hände!« Der gutmütige Sundt flucht, es hagelt nur so von Ausrufezeichen. Anne-kin Halvorsen wird vom Druck rückwärts gepresst. Sie dreht sich zu ihrem Chef um, sieht ihn an, mustert ihn, aus zusammengekniffenen Augen. Sie lässt sich absolut nicht gern sagen, was sie zu tun oder zu lassen hat, so war sie immer schon. Anne-kin Halvorsen salutiert, knallt mit den Hacken und lässt die Tür hinter sich ins Schloss donnern.

14
    Von weit weg hört sie Stimmen, hört geschäftige Schritte und Lärm. Sie schlägt die Decke zurück, steht ganz leise auf, geht zur Tür, drückt auf die Klinke. Die Tür ist abgeschlossen. Sie ist nicht enttäuscht, die Tür ist immer abgeschlossen. Die Stimmen, die sie hört, schienen sich auf etwas vorzubereiten. Und sie ist sicher, dass es dabei um sie geht. Andrej kann sie nicht mehr beschützen. Schließlich hat sie doch bis tief in ihren Schlaf hinein Krach und wütende Stimmen gehört, streitende Männer. Sie zittert. Schlingt die Arme um den Leib und versucht, die Laute zu unterdrücken, die aus ihrer Kehle strömen wollen. Sie darf nicht weinen, sie darf kein Geräusch machen, sie muss still sitzen bleiben, damit sie sie nicht hören. Vielleicht vergessen sie sie dann. Lassen sie in Ruhe. Sie krümmt sich zusammen und starrt die Wand vor sich an. Die Wand? War nicht etwas mit dieser Wand? Mit einem Stein, der weggeschoben, und mit einer Waffe, die hineingesteckt wurde? Jemand lacht vor ihrer Tür, etwas klirrt, scheppert. Irgendwo wird ein Motor angelassen, er brüllt auf. Verstummt. Dann noch ein Motor. Auch der verstummt nach einer Weile. Sie sind viele. Sie ist allein. Andrej ist gegangen. Aber er hat seine Waffe hier hinterlassen, die Waffe, mit der sie erschossen werden soll. Und es gibt keinen Fluchtweg. Nur das kleine Loch oben in der Wand, das den Tag hereinlässt. Aber das ist nicht größer als der untere Teil der Schalterklappe zu Hause im Postamt. Und durch diese Schalter sollte gesprochen werden, nicht geflohen. Sie fröstelt, steht nackt da, reißt resolut das Laken vom Bett und knotet Kleidungsstücke hinein, die sie nie gekauft hat. Enger Pullover, dicke Leggings, Jeansjacke, kurze Stiefel, Minirock. Das alles verknotet sie im Laken. Dann geht sie ins das Zimmerchen mit der Toilette und duscht. Es ist stockdunkel dort, sie macht kein Licht. In der Dunkelheit findet sie die Cremedosen im Regal. Sie schmiert sich ein, bedeckt ihren Körper mit allen Cremes, die er ihr gebracht hat: Bodylotion, Gesichtscreme, Bade/Duschcreme, Heilcreme für ihre schmerzenden Wunden, Vaseline. Steht mitten im Zimmer und friert. Denkt an das Wichtigste, denkt an die Waffe hinter den CDs, hinter den Regalbrettern. Der Stein ist schwer, die Fächer sind eng, sie müht sich ab, muss ganz leise sein, schafft es, steht mit der Waffe in der Hand da. Kaltes Metall. Patronen in Plastikhüllen. Sie stopft alles in das Kleiderbündel. Horcht auf die Stimmen, sie scheinen von überallher zu kommen, Stimmen, Autos, Motorräder, Lärm, Leute, jede Menge Leute.
    Sie muss weg.
    Das braune Klebeband lässt sich problemlos vom Ventil ziehen, das Ventil steht offen, sie ist geblendet, fährt zurück, verliert das Gleichgewicht, stolpert und denkt, jetzt kommen sie. Jetzt kommen sie. Aber niemand kommt. Sie rappelt sich wieder auf, schaut zum Ventil in der Wand hoch, schaut ihr Bündel an, schaut ihren Körper an, er glänzt vor Creme. Sie steigt auf die Kloschüssel und schaut aus zusammengekniffenen Augen durch das Ventil. Und sieht nichts als Fabrikwände. Darüber einen hohen, blauen leuchtenden Himmel. Einen Zipfel Wasser, einen größeren Zipfel von einem Weg, einen Parkplatz. Der Platz steht halb voll, einige Autos fahren gerade los. Sie schaut einem Pritschenwagen hinterher. Ein Mann steigt aus, schließt die Türen ab und kommt auf sie zu, biegt dann ab und verschwindet in der Richtung, aus der die Stimmen gekommen sind. Sie nimmt Essensgeruch wahr. Lebhaften Essensgeruch, der sie an die besten Tage zu Hause erinnert, als die Königin noch gekocht hat … ehe sie aufgab und nicht mehr wollte. Aufgab. Und sie bat, niemals aufzugeben. Es ist so lange her. Sie lehnt den Kopf an die Wand und betet, dass auf dem Parkplatz Ruhe einkehrt, dass die Leute verschwinden. Nimmt die letzten Öl- und Cremereste und verschmiert sie am Ventil. Versucht ihr Gesicht zu verbergen. Aber niemand

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