Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
geformt war. Sie wusste auch nicht, wie herein- oder hinauszukommen war. Da blieb sie stehen und hörte ihr Herz wie wahnsinnig schlagen. Panik ergriff sie. Auf der Suche nach einer Wand streckte sie tastend eine Hand aus, doch ihre Finger griffen ins Leere.
»Wo bin ich? Sennar! Sennar! Wo bist du?« Da spürte sie die Gegenwart von irgendjemandem in der Nähe und zückte rasch ihr Schwert. »Wer bist du?«, rief sie. Ein schwaches Licht erhellte den Raum um sie herum, und sie vernahm eine Stimme. »Willkommen!«
»Wo ist Sennar?«, rief Nihal zurück, noch bevor sie fragte, wo sie sich befand und wer da zu ihr sprach.
»Der ist in Sicherheit. Er schaut sich ein wenig in meinem Palast um«, sprach die Stimme.
Nihal blickte sich ängstlich um. Längs der Wände verliefen Arkaden mit weiten Bögen, die von massiven Säulen getragen wurden. Durch die offene Gewölbedecke konnte Nihal den Nachthimmel sehen, der seltsam hell wirkte und voller riesengroßer Sterne und Planeten war, die sie nicht kannte.
»Führ mich zu ihm, ich bitte dich ...«, flehte sie.
Durch einen Bogen des Gewölbes erschien die Gestalt einer alten Frau, deren weißes Haar zu einem langen Pferdeschwanz geknotet war. Ihr Gesicht wirkte gelassen, aber streng, und sie trug ein langes, weißes Kleid, das in der Taille mit einer silbernen Schnur gegürtet war. Ihr Gang war majestätisch, und Nihal fielen besonders ihre tiefblauen Augen auf.
»Er ist in Sicherheit. Sieh doch selbst ...«, sagte sie.
Durch eine Arkade erblickte Nihal den Magier, der eine Treppe hinaufstieg. »Warum unterhalten wir beide uns nicht ein wenig allein, Sheireen?«, fügte die Alte hinzu.
Nihal zuckte zusammen, als sie den Namen hörte.
Die Alte erschien in einer anderen Arkade, direkt neben ihr. »Verzeih, ich hätte dich nicht bei dem Namen nennen sollen, den du so hasst. Du bist Nihal, nicht wahr?« »Und wer bist du?«, fragte das Mädchen.
»Thoolan«, antwortete die Alte, »die Hüterin der Zeit, jene Frau, die den vierten Stein bewacht, den du dir holen möchtest. Dazu bist du doch gekommen, nicht wahr?« Sie zeigte auf einen grauen Edelstein, der in der Mitte ihrer Stirn zwischen den Augen funkelte.
Nihal war erleichtert. »Ja, deswegen bin ich gekommen«, gestand sie ruhig. »Gut«, fuhr Thoolan fort, »denn ich habe die Absicht, ihn dir zu überlassen. Ich glaube nämlich, dass du mehr als alle anderen seiner würdig bist.« Sie schwieg einen Moment und fügte dann, fast flüsternd, hinzu: »Wenn du ihn haben willst, so gebe ich ihn dir.« Endlich ein besonnener Wächter, dachte Nihal. »Dann übergib ihn mir und lass mich ziehen. Dieser Ort hier macht mich nervös.«
Die Alte lächelte. »Das kann ich verstehen ... Ich hingegen liebe ihn. Hier ist alles so, wie ich es mir wünsche: die Zeit, der Raum, das Leben.«
»Woher weißt du eigentlich, dass ich die acht Steine für den Talisman zusammentrage? Die anderen Wächter waren nicht eingeweiht.«
»Ich gebiete über die Zeit«, antwortete Thoolan. »Ich weiß vieles, was anderen verborgen ist.«
Nihal schwieg und wartete, dass die Alte ihr den Edelstein übergab. Doch diese blickte sie nur, ebenfalls schweigend, an. Nihal schlug die Augen nieder.
»Du fragst dich, wieso ich dir den Stein nicht gebe?«, hob sie dann wieder an. »Ganz einfach, weil ich weiß, dass du ihn gar nicht haben möchtest.« Thoolan lächelte. »Natürlich will ich ihn ... Ich brauche ihn, um den Tyrannen zu besiegen.« »Mir kannst du nichts vormachen, Nihal. Ich lebe seit über tausend Jahren. Viele standen schon dort, wo du jetzt stehst, und verlangten nach dem, was ich zu hüten beauftragt bin. Ich kann in dich hineinblicken und deutlich in dir lesen, ich kenne deine Sippe. Du möchtest den Edelstein gar nicht.« Die Frau setzte sich auf den Boden und schlug die Beine übereinander, und Nihal tat es ihr gleich. Plötzlich vertraute sie ihr. »Hör mir zu, Nihal. Dieser Auftrag, den du übernommen hast, bedeutet dir gar nichts. Eigentlich willst du meinen Stein gar nicht haben, genauso wenig wie du die anderen haben wolltest. Aber du holst sie dir, damit der Tyrann nicht die gesamte Aufgetauchte Welt an sich reißt. Das heißt, obwohl du dieses Unternehmen hasst und ebenso den Talisman, der an deinem Hals hängt, tust du, was du für deine Pflicht hältst, weil dir nichts anderes einfällt. So ist es doch, oder?«
Sie hatte Recht.
»Aber pass auf, Nihal, was du da tust, ist überhaupt nicht notwendig.« Nihal blickte
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