Die drei Ehen der Grand Sophy
schließlich unterbrach sie Cecilia: »Aber entschuldige doch, bitte, dieser Charles – ist er denn nicht dein Bruder?«
»Mein ältester Bruder.«
»Schön, das habe ich begriffen. Aber was hat er eigentlich dabei zu entscheiden?«
Cecilia seufzte. »Du wirst bald dahinter kommen, Sophy, daß in diesem Hause ohne Charles’ Sanktion nichts geschieht Er erteilt die Befehle, er ordnet alles, sein Wille ist hier Gesetz.«
»Laß mich das richtig verstehen!« sagte Sophy. »Mein Onkel ist doch nicht gestorben? Sir Horace hat mir bestimmt nichts dergleichen gesagt.«
»O nein! Aber Papa – ich sollte wohl nicht über ihn reden, und gewiß weiß ich auch nichts Bestimmtes – ich meine eben, der arme Papa muß in Schwierigkeiten gewesen sein. Bestimmt war es so, denn einmal fand ich Mama in großer Bestürzung, und da hat sie ein wenig davon gesprochen, obwohl sie so verstört war, daß sie kaum begriff, was sie tat. Sonst würde sie nie vor uns ein Wort über Papa fallen lassen – höchstens von Charles oder von Maria abgesehen, die ja jetzt eine verheiratete Frau ist. Dann starb mein Großonkel Matthew und hinterließ sein ganzes Vermögen Charles. Genau weiß ich nicht, wie das war, aber ich glaube, Charles hat da irgend etwas mit Hypotheken gemacht. So oder so, Papa scheint dabei ganz in seine Macht geraten zu sein. Ganz sicher ist, daß Charles für Hubert und Theodore aufkommt, von der Regelung der Schulden zu schweigen, das hat Mama mir selbst gesagt.«
»Mein Gott, wie unbequem muß das für deinen Papa sein! Mein Cousin Charles scheint mir äußerst ungemütlich.«
»Er ist einfach hassenswert«, versicherte Cecilia. »Manchmal glaube ich, daß er sein Vergnügen daran findet, alle Leute unglücklich zu machen, er mißgönnt uns das geringste Vergnügen, und sein einziger Wunsch ist, uns an respektable Männer mit großem Vermögen zu verheiraten, die schon bejahrt, trostlos nüchtern sind und nichts weiter zustande bringen als Mumps.«
Sophy war viel zu schlau, diese bitteren Worte für eine Verallgemeinerung zu halten, und so drängte sie Cecilia, ihr mehr über den respektablen Mann mit dem Mumps zu erzählen; nach kurzem Zögern und etlichen Umschweifen verriet Cecilia ihr, daß nicht nur eine Ehe mit Lord Charlbury arrangiert, wenn auch noch nicht bekanntgegeben war, sondern sie entwarf auch ein Bild von dem Ehrenwerten Augustus Fawnhope, das jedermann wie ein Fiebertraum erscheinen mußte, der nicht bereits den Vorzug genossen hatte, diesen schönen jungen Mann zu sehen. Sophy aber war Mr. Fawnhope begegnet, und so nötigte sie ihre Kusine nicht ins Bett und empfahl ihr kalte Umschläge, sondern erklärte ganz sachlich: »Ja, das stimmt. Ich habe Lord Byron nie gesehen, aber gegen Mr. Fawnhope soll er gar nichts sein. Gewiß ist Fawnhope der hübscheste Mensch, dem ich je begegnet bin.«
»Du kennst Augustus!« rief Cecilia und preßte ihre Hände an den Busen.
»Ja, ich bin mit ihm bekannt. Ich habe, glaube ich, ein paarmal mit ihm auf Brüsseler Bällen getanzt, voriges Jahr. War er nicht in irgendeiner Weise Sir Charles Stuart attackiert?«
»Er war einer seiner Sekretäre, aber Augustus ist ein Dichter, er hat natürlich keinen Kopf für Diplomatengeschäfte und dergleichen, und das nimmt ihm Charles, glaube ich, noch mehr übel als alles übrige. Ach, Sophy, als wir einander begegneten – das war in Almacks Club, ich trug ein ganz hellblaues Seidenkleid, mit seidenen Rosenblüten bestickt und mit Schleifen aus Silberfäden – kaum hatten wir einander gesehen … er hat mir später versichert, daß es bei ihm genau so war! Wie hätte ich annehmen sollen, daß sich da auch nur der geringste Einwand erheben könnte? Die Fawnhopes, ich bitte dich! Sie sollen doch seit Wilhelm dem Eroberer hier sein oder etwas dergleichen! Und wenn ich mich um Vermögen und Titel nicht mehr kümmere als um einen Knopf, was geht das Charles an?«
»Überhaupt nichts«, versicherte Sophy. »Weine doch nicht, Cecilia, ich bitte dich! Sage mir nur – hat deine Mama etwas dagegen, daß du Mr. Fawnhope heiratest?«
»Mama ist so feinfühlig, gewiß empfindet sie mit mir«, erklärte Cecilia und trocknete gehorsam ihre Augen. »Das hat sie mir ziemlich unumwunden gesagt, aber sie wagt es nicht, Charles zu widersprechen! Darauf, Sophy, beruht doch seine Herrschaft im Hause!«
»Sir Horace hat doch immer recht«, sagte Sophy, stand auf und strich ihren Rock glatt. »Ich habe ihn so gebeten, mich nach Brasilien
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