Die drei Musketiere 2
dir messen.«
»Messieurs«, sagte Athos, »nehmt jeder Euren Mann aufs Korn!«
»Ich habe meinen«, sagte d’Artagnan.
»Ich habe meinen«, sagte Porthos.
»Und ich meinen«, sagte Aramis.
»Gebt Feuer!« sagte Athos.
Die vier Flintenschüsse gaben nur einen Knall, und vier Soldaten stürzten zu Boden. Sogleich schlug der Tambour, und der kleine Trupp rückte im Sturmschritt vor. Dann folgten die Schüsse in unregelmäßigen Abständen, aber mit der größten Genauigkeit gezielt, dennoch stürmten die Rocheller vorwärts, als hätten sie die Schwäche der Feinde erkannt. Bei drei Schüssen fielen immer zwei Mann, trotzdem wurde der Marsch der Übriggebliebenen nicht langsamer. Am Fuße der Bastei angelangt, waren die Feinde noch zwölf bis fünfzehn Mann stark. Eine letzte Ladung empfing sie, hielt sie aber nicht auf.
Sie sprangen in den Graben und schickten sich an, die Bresche zu ersteigen.
»Auf, meine Freunde«, rief Athos, »machen wir mit einem Schlag ein Ende! Zur Mauer! Zur Mauer!«
Und von Grimaud unterstützt, stemmten sich die vier Freunde mit dem Lauf ihrer Flinten an einen gewaltigen Mauerflügel, der sich neigte, sich von seiner Grundlage ablöste und mit furchtbarem Krach in den Graben stürzte. Dann vernahm man ein gewaltiges Geschrei, eine Staubwolke stieg zum Himmel auf, und alles war vorbei.
»Sollten wir sie alle zerschmettert haben?« sagte Athos.
»Meiner Treu, mir kommt es so vor«, erwiderte d’Artagnan.
»Nein«, rief Porthos, »da schleppen sich zwei oder drei hinkend davon.« In der Tat flohen einige Unglückliche blutbedeckt in 134
den Hohlweg und gelangten so in die Stadt zurück. Das war alles, was von der kleinen Truppe übrig blieb.
Athos schaute auf seine Uhr und sagte: »Messieurs, wir sind nun eine Stunde hier, und die Wette ist gewonnen. Aber d’Artagnan hat uns seine Gedanken noch nicht mitgeteilt.«
»Ihr wollt meinen Plan kennenlernen?« sagte d’Artagnan zu seinen drei Gefährten, als sie wieder beim Frühstück saßen. –
»Ja, Ihr sagtet, Ihr hättet einen Einfall.« – »Richtig, ich hab’s wieder«, rief d’Artagnan. »Ich reise zum zweitenmal nach England, suche Buckingham auf und benachrichtige ihn von dem Komplott, das gegen ihn gesponnen wird.« – »Ihr werdet das nicht tun, d’Artagnan«, sagte Athos kalt. – »Und warum nicht? Habe ich es nicht bereits, getan?« – »Ja, aber damals waren wir nicht im Krieg mit England, und Buckingham war zu jener Zeit unser Verbündeter und kein Feind. Was Ihr tun wollt, würde man Verrat nennen.«
D’Artagnan schwieg.
»Aber ich glaube ebenfalls einen Gedanken zu haben«, sagte Porthos.
»Hört Porthos’ Gedanken«, sagte Aramis.
»Ich verlange einen Urlaub von Monsieur de Treville unter irgendeinem Vorwand, den Ihr finden werdet, denn ich bin nicht so stark in Vorwänden. Mylady kennt mich nicht. Ich nähere mich ihr, ohne daß sie mich fürchtet, und wenn ich me ine Schöne treffe, erdrossele ich sie.«
»Nun«, sagte Athos, »ich bin nicht abgeneigt, Porthos’
Gedanken beizustimmen.«
»Pfui«, sagte Aramis, »eine Frau umbringen! Halt! Ich habe den wahren Einfall.« – »Laßt hören, Aramis!«
»Man müßte die Königin davon in Kenntnis setzen.«
»Ah, wahrhaftig«, sagte Porthos und d’Artagnan zugleich,
»ich glaube, wir haben das Mittel.«
»Die Königin in Kenntnis setzen?« sagte Athos, »und wie?
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Haben wir Verbindungen bei Hofe? Können wir jemanden nach Paris schicken, ohne daß man es im Lager erfährt? Von hier nach Paris sind es hundertvierzig Meilen; unser Brief ist noch nicht in Angers, und wir sitzen schon im Gefängnis.«
»Was die Aufgabe betrifft, Ihrer Majestät einen Brief sicher zuzustellen«, sage Aramis errötend, »so übernehme ich dies. Ich kenne in Tours eine geschickte Person …«
Aramis hielt inne, als er Athos lächeln sah.
»Nun, Athos? Ihr nehmt dieses Mittel nicht an?« fragte d’Artagnan.
»Ich weise es nicht gänzlich zurück, aber ich wollte Aramis nur daran erinnern, daß er das Lager nicht verlassen kann, und daß zwei Stunden, nachdem der Bote abgegangen, alle Kapuziner und alle Schwarzmützen des Kardinals Euren Brief auswendig kennen, und daß man Euch samt Euren geschickten Personen verhaften wird.«
»Ganz abgesehen davon«, sagte Porthos, »daß die Königin zwar Buckingham, keineswegs aber uns retten wird.« –
»Messieurs«, sprach d’Artagnan, »das, was Porthos sagt, ist sehr vernünftig.«
»Aber was geht in der Stadt
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