Die drei Musketiere 2
dann verbeugte er sich zum Zeichen der Zustimmung und sagte:
»Die Disziplin, Monseigneur, ist, wie ich hoffe, von uns in keiner Weise außer acht gelassen worden. Wir haben keinen Dienst und glaubten uns daher berechtigt, nach Gutdünken über unsere Zeit zu verfugen. Sollten wir so glücklich sein, von Eurer Eminenz einen besonderen Befehl zu erhalten, so wären wir sogleich bereit, zu gehorchen. Monseigneur sieht«, setzte Athos mit hochgezogenen Augenbrauen hinzu, denn dieses Verhör fing an, ihn ungeduldig zu machen, »daß wir, um beim geringsten Alarmzeichen gerüstet zu sein, unsere Waffen mitgenommen haben.«
Dabei wies er den Kardinal mit dem Finger auf die Musketen 170
neben der Trommel hin, auf der die Karten und die Würfel lagen.
»Eure Eminenz wollen versichert sein«, fügte d’Artagnan hinzu, »daß wir Ihr entgegengegangen wären, wenn wir hätten vermuten können, daß Sie sich uns mit so kleinem Gefolge näherte.«
»Wißt ihr, wofür man euch halten könnte, da ihr immer beisammensteckt, immer bewaffnet und von Euren Dienern bewacht seid?« sagte der Kardinal. »Man könnte euch für vier Verschwörer halten.« – »Oh, was das betrifft, Monseigneur, so ist das wahr«, erwiderte Athos, »wir sind allerdings Verschwörer, nur richtet sich unsere Verschwörung, wie Eure Eminenz neulich an jenem Morgen haben bemerken können, gegen die Rocheller.« – »Ei, meine Herren Politiker!« versetzte der Kardinal, die Stirn runzelnd, »in euren Köpfen wäre vielleicht das Geheimnis von vielen Sachen zu finden, die unbekannt sind, wenn man darin lesen könnte, wie ihr in dem Brief gelesen habt, den ihr verstecktet, als ihr mich habt kommen sehen.«
Athos stieg das Blut ins Gesicht, er trat einen Schritt auf Seine Eminenz zu.
»Man könnte glauben, daß Ihr uns wirklich im Verdacht habt, Monseigneur, und daß wir hier einem förmlichen Verhör unterzogen werden; wenn dem so ist, so wolle Eure Eminenz sich nur erklären, dann wissen wir wenigstens, woran wir sind.«
– »Und wenn es wirklich ein Verhör sein sollte?« versetzte der Kardinal. »Schon andere als Ihr sind einem solchen unterzogen worden, Monsieur Athos, und sind Rede und Antwort
gestanden.« – »Ich habe Eurer Eminenz auch bereits bemerkt, daß Sie nur zu fragen braucht und daß wir bereit sind, zu antworten.«
»Was war das für ein Brief, den Ihr im Begriff wart, zu lesen, Monsieur Aramis, und den Ihr versteckt habt?« – »Der Brief einer Frau, Monseigneur.« – »Ah, ich begreife«, sagte der 171
Kardinal, »mit solchen Briefen muß man diskret verfahren.
Indessen einem Beichtvater kann man sie doch zeigen, und Ihr wißt, ich habe die Weihen empfangen.«
»Monseigneur«, erwiderte Athos mit einer umso
furchtbareren Ruhe, als er wußte, daß er mit seiner Antwort um seinen Kopf spielte, »der Brief ist von einer Frau, aber weder von Marion de Lorme noch von Madame de Aiguillon
unterzeichnet.«
Der Kardinal wurde bleich wie der Tod, ein fahler Blitz schoß aus seinen Augen, er drehte sich um, wie um Cahusac und La Houdinière einen Befehl zu geben. Athos gewahrte diese Bewegung und machte einen Schritt gegen die Musketen, auf die die drei Freunde ihre Blicke gerichtet hatten wie Männer, die nicht geneigt sind, sich ohne weiteres verhaften zu lassen. Der Kardinal befand sich in Begleitung von nur zwei Mann, die Musketiere mit ihren Dienern zählten hingegen sieben Mann. Er sagte sich also, die Partie wäre umso weniger gleich, als Athos und seine Gefährten in der Tat konspirierten, und in einem jener raschen Wechsel, die ihm immer zu Gebote standen, schmolz sein ganzer Zo rn in einem Lächeln dahin.
»Nun, nun!« sagte er, »ihr seid tapfere junge Leute, stolz im Sonnenlicht, getreu in der Dunkelheit. Es ist nichts Schlimmes dabei, über sich selbst zu wachen, wenn man so gut über andere wacht. Messieurs, ich habe die Nacht nicht vergessen, in der ihr mir auf dem Wege ›Zum Roten Taubenschlag‹ das Geleit gegeben habt. Wenn auf dem Wege, den ich einschlagen werde, irgendeine Gefahr zu befürchten wäre, so würde ich Euch bitten, mich zu begleiten, da aber keine Gefahr vorhanden ist, so bleibt, wo ihr seid, trinkt euren Wein, spielt eure Partie und lest euren Brief zu Ende. Adieu, Messieurs!«
Und indem er sein Pferd wieder bestieg, das Cahusac ihm herbeigebracht hatte, grüßte er sie mit der Hand und entfernte sich.
Die vier jungen Leute, die unbeweglich dastanden, folgten 172
ihm mit den Augen, ohne ein Wort
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