Die dritte Sünde (German Edition)
als Mr de Burgh, doch häufig nicht auf Whitefell. Das wirft gewisse Probleme in der Gutsführung auf.«
»Ach, tatsächlich? Sind Sie schon wieder überfordert, Mrs Branagh?«, meinte Havisham, kaum den Spott in seiner Stimme verbergend.
»Mitnichten, Sir!«, war die empörte Antwort der Haushälterin. »Allerdings bin ich lediglich für die Belange, die unmittelbar mit der Haushaltsführung des Herrenhauses zu tun haben, zuständig, nicht aber für Fragen hinsichtlich der Verwaltung des doch sehr großen Gutsbetriebs. Ich sehe mich jedoch in letzter Zeit immer öfter in der Verpflichtung, auch hinsichtlich dieser Fragen Entscheidungen treffen zu müssen, die nicht in meinem Aufgabengebiet liegen. Ich halte es deshalb für sinnvoll, wenn Sie einen Gutsverwalter einstellen, so Sie auch fürderhin planen, beträchtliche Zeit des Jahres nicht auf Whitefell zu verbringen.«
»Wieso? Welche Entscheidungen sollten Sie denn treffen? Kann man da nicht warten, bis ich wieder zu Hause bin?«, brauste Havisham auf. Es dämmerte ihm zwar, dass die Haushälterin mit ihrer Forderung durchaus recht hatte, jedoch lag es ihm fern, dieses Versäumnis seinerseits zuzugeben. Er hätte sich tatsächlich schon früher um eine solche Regelung kümmern sollen. Ein Gut war, wie er nun doch überrascht feststellte, eine zeitraubende Aufgabe und neben seinen anderen geschäftlichen Verpflichtungen und politischen Ambitionen trotz allem Fleiß und Gestaltungswillen nicht zu schaffen. Isobel war für derartige Aufgaben leider nicht geeignet. Es mangelte ihr zu sehr an Verantwortungsgefühl, wenn auch nicht an Durchsetzungsvermögen.
»Pfarrer Browning hat letzte Woche bei mir vorgesprochen. Es geht um die Pennywood Farm, vielmehr darum, was mit ihr geschehen soll«, erläuterte Mrs Branagh, den aggressiven Tonfall des Hausherrn nicht beachtend. Sie wusste sich völlig im Recht.
»Die was?«, schnappte Havisham.
»Die Pennywood Farm, Sir, ist einer der Pachthöfe von Whitefell«, klärte ihn die Haushälterin kühl auf. »Jahrzehntelang haben ihn die Barnacles bewirtschaftet. Leider ist Mr Barnacle nun letzte Woche verstorben. Das Paar hat keine lebenden Nachkommen, die die Pacht weiterführen könnten, und Mrs Barnacle … Tja, sie ist leider nicht mehr ganz Herrin ihrer Sinne. Das Alter, Sir!«, setzte die Haushälterin entschuldigend hinzu. »Die Pacht muss neu geregelt werden. Es steht auch noch Vieh auf dem Hof, das zurzeit von den Nachbarn mitversorgt wird. Mrs Barnacle wurde nun zunächst einmal auf Gemeindekosten versorgt.«
»Was soll das heißen? Ich werde doch nicht etwa für die Versorgung der Alten zur Kasse gebeten?«, meinte Havisham erbost.
Mrs Branagh kräuselte säuerlich die Lippen. »Nein, Sir! Man hat sie ins Armenhaus gebracht, wenn Sie es genau wissen wollen. Allerdings war es bisher in solchen Fällen üblich, dass der Gutsherr zumindest eine einigermaßen angemessene Summe als Spende an die Kirche gab.«
»Etwas anderes hätte mich auch gewundert«, murrte Havisham.
»Jedoch«, setzte Mrs Branagh wieder an, »es bestünde die Möglichkeit, dass der neue Pächter die Gerätschaften und das Vieh der Barnacles erwirbt. Eine Frau aus dem Dorf hat sich angeboten, für den Erlös des Verkaufs die alte Mrs Barnacle zu versorgen. Das erscheint mir doch eine humanere Lösung, Sir. Das Armenhaus ist weiß Gott kein schöner Ort, um seinen Lebensabend zu verbringen.«
»Nun, wo ist das Problem? Dann soll der zukünftige Pächter das doch tun.« Havisham ging diese ganze lästige Diskussion um das Fortkommen einer zahnlosen und verwirrten Alten, die er nicht einmal kannte, gehörig auf die Nerven. Vorgänge, die sich nicht in Zahlen und Zinsen fassen ließen, interessierten ihn nicht besonders.
»Das Problem ist, dass wir zwar Anwärter auf den Pachthof haben, aber keiner davon bereit ist, die erforderliche Ablösesumme zu bezahlen und alles zu übernehmen. Der Hof ist nicht gerade in bestem Zustand. Mr Barnacle war zum Schluss wohl etwas überfordert mit der Arbeit.«
Isobel hatte aufmerksam zugehört. Mit einem Mal kam ihr, fast wie eine Erleuchtung, ein kühner, aber geradezu genialer Einfall, der alle ihre Probleme mit einem Schlag lösen würde. »Ich glaube, ich hätte einen Vorschlag, wer die Pennywood Farm übernehmen könnte«, warf sie in die angespannte kurze Stille ein.
Mrs Branagh und Horace Havisham sahen sie erstaunt an. Offenbar hatte keiner von beiden erwartet, dass ausgerechnet sie etwas zur Lösung
Weitere Kostenlose Bücher