Die dritte Sünde (German Edition)
hereinkommen?«
Immer noch sprachlos vor Staunen trat er zur Seite und ließ sie ein. Sie trug ein sorgfältig zusammengeschnürtes Paket, das augenscheinlich einiges an Gewicht hatte, bei sich. Dann fand er endlich seine Sprache wieder: »Cathy! Ich bin so froh zu sehen, dass du wieder wohlauf bist. Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht. Geht es dir wirklich wieder gut?«, sagte er und trat einen Schritt auf sie zu. Beinahe hätte er sie in seiner ehrlichen Erleichterung, sie wieder gesund und munter zu sehen, in den Arm genommen, hielt dann aber doch inne. Wie konnte er vergessen, was vorgefallen war? Verzagt sah er sie an.
»Ich … ich will dir nicht zur Last fallen, Aaron«, begann Cathy zögernd, den Blick unsicher gesenkt, »aber ich hatte die Hoffnung, du würdest mir helfen.« Nun sah sie ihn doch an.
»Du wirst mir nie zur Last fallen, Cathy!«, sagte er schnell und sehr wahrheitsgemäß.
Sie nickte erleichtert. »Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
Nichts hätte er lieber getan! Er war selig, dass sie sich überhaupt an ihn wandte, nach allem, was geschehen war … »Was kann ich für dich tun? Ich will dir wirklich sehr gern helfen in allem, was auch immer in meiner Macht steht.«
Ein scheues Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Das glaube ich dir, Aaron. Mrs Branagh hat mir erzählt, dass du mich nach Hause gebracht hast, als es mir so schlecht ging und dich sehr um mich gesorgt hast. Ich weiß gar nichts mehr davon. Es ist alles so verworren in meiner Erinnerung. Dabei hätte ich gut verstanden, wenn du dich nicht um mich gekümmert hättest. Ich konnte mich auch noch gar nicht bei dir bedanken.«
Er hörte es mit ängstlicher Hoffnung. Vielleicht hatte sie ja auch nicht mitbekommen oder erinnerte sich wenigstens nicht mehr daran, was er mit Isobel de Burgh dort unter den Pappeln getrieben hatte.
»Ach, Cathy!« Aaron streckte seine Hand aus und strich ihr sanft über die immer noch blassen Wangen. Sie ließ es tatsächlich geschehen, ohne ihm auszuweichen. Eine Welle des Glücks durchströmte ihn. »Wenn du wüsstest, was ich für eine Angst um dich hatte. Ich dachte für einen Augenblick, du stirbst mir womöglich da draußen. Du wolltest gar nicht mehr zu dir kommen. Wie konnte Miss de Burgh dich mitnehmen, wo du doch so krank warst! Ich war so wütend auf sie!« Er schämte sich nicht wenig dafür, dass er sie so in Ahnungslosigkeit über seinen Anteil am Geschehen ließ, aber er brachte es einfach nicht über sich, ihr die Wahrheit zu sagen. Zu sehr hoffte er, ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Nichts war ihm wichtiger!
Cathy senkte den Blick und seufzte. »Es nutzt nichts, sich zu wehren, Aaron! Das weißt du doch sicher genauso gut wie ich. Ich muss tun, was Miss Isobel sagt, so wie du auch, so wie jeder hier auf Whitefell. Außerdem … du kannst nicht wissen …« Sie geriet ins Stocken, rang um Worte.
»Was kann ich nicht wissen?«, fragte er drängend. Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. »Lass gut sein, Aaron. Es tut mir wirklich leid, dass ich so lange nicht mehr mit dir gesprochen habe. Bitte glaube mir: Es lag nicht an dir, nicht daran, dass du mich geküsst hast.« Sie sah ihn an, bittend, liebevoll. Sein Herz tat einen schmerzhaften Sprung. War es möglich, dass sie doch etwas für ihn empfand?
»Cathy …!«, sagte er und machte hoffnungsvoll einen raschen Schritt auf sie zu.
Doch sie wich vor ihm zurück. »Nein, lass! Es ist nun so: Ich muss Whitefell heute verlassen«, sie schob seine Verblüffung über diese Neuigkeit mit einer Handbewegung zur Seite. »Ich werde zurückkommen, sobald klar ist, ob und wann Miss de Burgh zurückkehrt. Sie wünscht ausdrücklich, dass ich ihre Zofe werde. Das hat sie mir an dem Tag, als ich krank wurde, gesagt.«
»Und du willst das nicht, nicht wahr?«, stellte Aaron lapidar fest. Nun wurde ihm zumindest ein Grund für ihre plötzliche Erkrankung klar. Er wusste doch, wie sehr sie Mr de Burgh geradezu darum angefleht hatte, ihr anderswo eine Stellung zu besorgen – ein außerordentlicher Vorgang, wenn man Cathys übergroße Schüchternheit bedachte!
Cathy zuckte mit den Schultern. »Sie wünscht es so. Was könnte ich dagegen tun?«
Am liebsten hätte Aaron sie gepackt und geschüttelt. Ihre Ergebenheit machte ihn rasend. »Warum gehst du denn nicht einfach fort?«, fragte er, kaum dass er den zornigen Unterton in seiner Stimme verbergen konnte.
»Das kannst du nicht verstehen, Aaron. Ich kann nicht fortgehen.
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