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Die dunkle Macht des Mondes

Die dunkle Macht des Mondes

Titel: Die dunkle Macht des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Krinard
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ihn sich aufs Haar.
    Niemand bewachte die Tür. Sie eilte den Korridor in entgegengesetzter Richtung von Kyrils Suite hinab, stolperte fast die Treppe hinunter und durchschritt die Hotellobby, so schnell ihre Füße sie tragen konnten. Niemand hielt sie auf. Sie rannte, bis sie mehrere Häuserblocks vom Hotel entfernt war, und hielt dann an, um nach Atem zu ringen.
    Sogar durch die Wolle ihres Mantels hindurch konnte sie die Hitze der Sonne spüren, die sie mit ihren Strahlen wie ein Spinnenetz umfangen wollte. Sie zog die Krempe ihres Huts, so tief sie konnte, und schob ihr Kinn in den aufgeschlagenen Kragen ihres Mantels. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie war und was sie tun sollte.
    Dann erblickte sie einen Kirchturm, und ihr wurde alles klar. Sie winkte sich ein Taxi und flüsterte dem Fahrer die Anweisungen ins Ohr. Halb befürchtete sie, dass schon ihre Stimme verraten könnte, was aus ihr geworden war.
    Der Fahrer ließ sie an den Stufen zu St. Albert’s hinaus. Sie zögerte, als sie die hohen Eichentüren hinaufsah. Die Angst kratzte wie etwas Lebendiges in ihrem Inneren. Sie schloss die Finger um das silberne Kreuz um ihren Hals und erstarrte.
    Nichts geschah. Sie trug ein heiliges Symbol, und es machte ihr überhaupt nichts aus. Es hatte seit ihrer Umwandlung die ganze Zeit ihre Haut berührt, aber sie hatte nichts gespürt.
    Gott steh mir bei, dachte sie, als sie begann, die Stufen hinaufzugehen.
    Willkommene Dunkelheit umschloss sie. Sie starrte auf das große Kreuz über dem Altar. Es machte ihr keine Angst. Sie ging den Gang zwischen den Kirchenbänken hinauf. Nichts veränderte sich. Sie zwängte sich in eine Kirchenbank und kniete nieder, den Kopf geneigt. Ihr fiel kein einziges Gebet ein. St. Albert’s hatte sie eingelassen, aber in ihr selbst gab es ein Hindernis. Eines, das sie selbst geschaffen hatte.
    Und noch etwas geschah, etwas, das nichts zu tun hatte mit den alten Geschichten von Vampiren und Kirchen. Ein Schmerz pochte unter ihren Rippen, als wäre sie meilenweit gerannt, eine schmerzhafte Leere, die sie unmöglich ignorieren konnte.
    Ich habe mich ihm nicht widersetzt, dachte sie.
Er hat mir nicht befohlen, den Raum nicht zu verlassen.
    Aber der Schmerz blieb, und sie erinnerte sich an etwas, das er ihr gesagt hatte.
Länger getrennt zu sein ist schwierig.
Jetzt wusste sie genau, was damit gemeint war. Sie konnte nicht nur nicht anders, als ihm zu gehorchen, sie konnte ihn auch nicht verlassen. Nicht einmal für eine Stunde.
    “Geht es dir gut, mein Kind?”
    Sie sah ruckartig auf. Ihre neuen, fremdartigen Sinne nahmen die Wärme des schlanken Priesters und den einzigartigen Duft seines Blutes in sich auf. Sie hatte den jungen Mann schon gesehen, er war schlicht, ernst und ganz dem Dienst an der Gemeinde von St. Albert’s ergeben.
    Er hätte wissen müssen, was sie war. Er hätte fühlen sollen, wie sehr sie sich danach sehnte, sein Blut zu trinken.
    Ich gehöre nicht hierher, wimmerte sie stumm, ich bin kein Mensch.
Ich kann nie wieder ein Mensch sein.
    Der Priester beugte sich näher zu ihr. “Kann ich etwas für dich tun?”
    Gwen rang ihre Hände und schloss die Augen. “Ich … es geht mir gut, danke.”
    “Sie sind doch Gwen Murphy, oder? Würden Sie gern mit Vater Sullivan reden?”
    “Nein!” Sie sprang auf und konnte sich kaum davon abhalten, ihn zur Seite zu stoßen. “Bitte … lassen Sie mich einfach gehen.”
    Er trat zur Seite. Sie hastete zur Tür, und ihr Mantel flatterte um sie. Nur die lebenslange Gewohntheit und der strafende Blick einer ernsten Nonne ließen sie ihre Schritte verlangsamen.
    Dorian wartete an der Tür auf sie. Er sah an ihr vorbei in das Kirchenschiff. Sein Gesichtsausdruck wurde halb vom Rand seines Hutes verdeckt.
    “Du bist sehr leichtsinnig gewesen, Gwen”, sagte er. “Wir müssen fort.”
    Sie musste nicht fragen, wie er sie gefunden hatte. Der Schmerz in ihrer Brust begann bereits zu verschwinden. “Macht dieser Ort dir Angst, Dorian?”, fragte sie.
    “Nein. Warum sollte er?”
    “Wahrscheinlich ist das auch nur ein Mythos”, sagte Gwen kalt. “Hat es wehgetan?”
    “Wie bitte?”
    “Als wir getrennt waren. Hat es dir wehgetan?”
    “Es war nicht angenehm.”
    Und jetzt bist du wütend, dachte Gwen.
Tja, Pech gehabt.
Sie sah durch die Tür ins strahlende Licht der Mittagssonne, ein Gebiet, das sie nie wieder unbeschadet würde betreten können. “Was jetzt? Zurück zu Kyril und ihm ergebener Diener

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