Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller
Félix betraten den Raum. Das Radio sendete noch immer FIP. Brial öffnete die Augen. Sein Gesicht strahlte eine gewisse Ruhe aus. Als er Mistrals ansichtig wurde, musste er lächeln.
»Ah, da ist er ja – der Chef. Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie endlich auftauchen würden. Ist der Seminarist heute nicht dabei? Ach nein, stimmt ja, dem muss man erst das Gesicht wieder zusammenflicken. Das tut bestimmt weh!«
Roxane Félix schaltete den Computer ein, verband ihn mit dem Drucker und wartete darauf, dass Mistral seine Fragen stellte. Mistral schaltete das Radio aus. Brial zuckte die Schultern.
»Machen Sie, was Sie wollen. Ich habe ohnehin gewonnen.«
»Was haben Sie gewonnen?«
»Nichts. Sie haben doch keine Ahnung! Und wenn man Sie so anschaut, wie Sie sich kaum noch auf den Beinen halten und mit Ihrem grauen Gesicht, dann kann man sich denken, dass Sie in spätestens einer Woche auch im Krankenhaus liegen.«
»Heute Morgen wurde Ihr Bruder verhaftet.«
»Meinst du, das ist mir neu?«, grinste Brial. »Ich wusste es längst vor dir. Wir sind so eng miteinander verbunden, dass wir immer wissen, was mit dem anderen los ist. Also bring mich nicht zum Lachen mit deinen Räubergeschichten. Du kommst dir vielleicht oberschlau vor, aber wir sind schlauer als du.«
Mistral fiel auf, dass Brial zum ersten Mal »wir« gesagt hatte.
»Ihre Mutter und Ihre Tante sind beim Untersuchungsrichter. Sie werden diese Nacht im Gefängnis schlafen.«
»Na prima, vielleicht bringt sie das zum Nachdenken. Das, was aus uns geworden ist, haben wir ihnen zu verdanken.«
»Ich habe ein wenig in Ihren Heften geblättert. Eine interessante Lektüre! Wie viele Morde gehen denn so auf Ihr Konto?«
»Wir schreiben nun einmal gern. Das, was in den Heften steht, ist frei erfunden.«
»Die Trennung von Ihrem Bruder, als Sie beide noch Säuglinge waren, muss schrecklich gewesen sein.«
»Du redest über Dinge, von denen du nichts verstehst. Du kannst dir nicht vorstellen, was es bedeutet, nur zur Hälfte zu leben und in den Nächten von dem zu träumen, der nicht da ist. Soll ich dir mal etwas sagen, großer Chef? Ohne es zu wissen, haben wir gleichzeitig dieselben Dinge getan. Die gleichen Dummheiten und so. Wir haben gleichzeitig den gleichen Hund bekommen und sogar den gleichen Namen ausgesucht. Tom hieß er.«
»Sie haben gleichzeitig den gleichen Hund bekommen, weil Ihre Mutter und deren Schwester beschlossen haben, dass Sie das gleiche Geschenk kriegen sollten. Das war einfacher im Hinblick auf das Fotoalbum. Schauen Sie!«
François betrachtete das Fotoalbum, das er offenbar noch nie gesehen hatte, mit großen Augen. Mistral blätterte die Seiten um. Brial sah ihn an.
»Du bist ein ausgemachtes Ekelpaket.«
»Mag sein. Ich habe Ihnen nur gesagt, es ist kein Zufall, dass Sie und Ihr Bruder den gleichen Hund bekamen. Sonst nichts. Was den Namen und alles andere angeht, so gebe ich Ihnen recht, dass es aus der geheimnisvollen Verbindung zwischen Zwillingen resultieren könnte.«
»Fick dich doch ins Knie!«
»Sie und ihr Bruder besitzen die gleiche DNA, die wir an den Türen Ihrer Opfer Norman, Colomar und Dimitrova gefunden haben. Sie stammt übrigens von Ihren Ohrabdrücken. Außerdem haben wir in der Küche von Monsieur Legendre, dem Nachbarn der Dimitrova, Blutspuren von Ihnen gefunden. Sie haben versucht, sie wegzuwischen. Hat Ihr häufiges Nasenbluten mit ihrer Arnold’schen Neuralgie zu tun? Oder mit den Medikamenten gegen Schizophrenie? Oder vielleicht auch mit der Mischung aus Alkohol und Medikamenten?«
François Brial hörte Mistral mit geschlossenen Augen zu. Schließlich öffnete er sie wieder. Ein hässliches Lächeln verzerrte sein Gesicht.
»Uns ist völlig egal, was du da von dir gibst, hörst du?«, sagte er laut und mit abgehackter Stimme. »Du bist nicht mehr im Spiel, auch wenn du uns diese Morde anhängen willst. Weißt du, was ich nicht verstehe? Du benutzt doch diesen ganzen wissenschaftlichen Firlefanz – wieso hast du noch das Bedürfnis, uns zu sehen?«
»Damit Sie mir die sechs Morde erklären, weiter nichts.«
François Brial lachte gezwungen.
»Das glauben wir dir nicht. Du bist viel zu hochmütig.«
»Sie haben herausgefunden, dass die Dimitrova Ihnen auf die Spur gekommen war, und haben die Rollen getauscht. Auf einmal war sie die Beute. Ich glaube kaum, dass es sehr schwierig war. Sie hatte jedenfalls keine Mordabsichten – im Gegensatz zu Ihnen.«
»Auf diese Frage antworte ich
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